Innenministerkonferenz berät über Bleiberecht für geduldete Flüchtlinge

Wer darf in Deutschland bleiben?

 (DR)

Mit Hoffen und Bangen blicken rund 190.000 langjährig geduldete Ausländer auf die Innenministerkonferenz am Donnerstag und Freitag in Nürnberg. Dort wollen sich die Innenminister auf eine Bleiberechts-Regelung für langjährig geduldeten Ausländer in Deutschland einigen. Strittig ist vor allem die Koppelung eines Bleiberechts an einen Arbeitsplatz. Nur wer bis zum 30.September 2007 einen Arbeitsplatz nachweisen könne, solle eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, sagte der bayrische Innenminister Beckstein der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Auf diese Lösung hat sich auch die Bundesregierung geeinigt.
Nach bisherigem Recht ist der Zugang zum Arbeitsmarkt allerdings stark beschränkt. Nur wenn sich niemand anderes für einen Arbeitsplatz findet, darf er von einem Asylanten besetzt werden.

Bleiberecht nicht an Job koppeln
Die stellvertretende FPD-Fraktionsvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat die Koppelung eines Bleiberechts an einen Arbeitsplatz abgelehnt. Bereits bei den Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien habe sich gezeigt, dass geduldete Ausländer keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hätten, sagte Leutheusser-Schnarrenberger am Montag im Deutschlandradio Kultur. Sie sprach sich außerdem dafür aus, eine Öffnungsklauseln für Einzelfälle einzurichten. Bislang soll generell gelten, dass eine Familie mit minderjährigen Kindern erst nach sechs Jahren Aufenthalt in Deutschland ein Bleiberecht erhalten soll. Für die übrigen Ausländer sollen acht Jahre Aufenthalt Voraussetzung sein.

Angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktlage sind nach Ansicht von ai und Pro Asyl die Pläne völlig unrealistisch, das Bleiberecht an die selbstständige Sicherung des Lebensunterhalts zu binden. Damit komme nur eine kleine Minderheit in den Genuss der Regelung, während sich die Bedingungen für die Mehrheit "sozialstaatswidrig" weiter verschärften. "Was Bleiberechtsregelung genannt wird, ist eher eine Vorbereitung darauf, Zehntausende aus Deutschland abzuschieben", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Die Verbände forderten vom Bundestag, das Problem der Kettenduldungen endlich gesetzlich zu regeln.

Bleiberecht für in Deutschland geborenen Kinder
Ein generelles Abschiebeverbot für in Deutschland geborene Ausländerkinder fordern die Grünen. "Kindern, die keine andere Heimat kennen, dürfen nicht abgeschoben werden", sagte Grünen-Bundesvorstandsmitglied Omid Nouripour am Sonntag der "Netzeitung". Man würde sie sonst "ins Bodenlose fallen lassen". Auch der Bundesausländerbeirat fordert eine Orientierung am Kindeswohl.

Kinderrechte würden mit Füßen getreten, wenn Jungen und Mädchen, die in Deutschland aufgewachsen seien von heute auf morgen ausgewiesen würden, klagte die Vorsitzende der Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche", Fanny Dethloff am Freitag in Berlin.

Kirche fordert sichere Aufenthalts- und Lebensperspektive
Die rheinische Kirche hat eine Bleiberechtsregelung gefordert, die den Betroffenen eine sichere Aufenthalts- und Lebensperspektive eröffnet. "Die Kriterien müssten so gestaltet sein, dass sie von den seit langen Jahren in Deutschland geduldeten Menschen auch tatsächlich erfüllt werden können", erklärte der Migrationsbeauftragte der Evangelischen Kirche im Rheinland, Landeskirchenrat Jörn-Erik Gutheil, in einem Appell an die in dieser Woche in Nürnberg tagende Innenminister-Konferenz.

Auch müsse die "beschämende Praxis" von Kettenduldungen, die mit dem Zuwanderungsgesetz abgeschafft werden sollte, beendet werden, heißt es in dem Aufruf. Derzeit leben den Angaben nach rund 200.000 "Geduldete" in der Bundesrepublik, davon fast 70.000 in Nordrhein-Westfalen.

Gutheil wies darauf hin, dass viele der Geduldeten trotz aller Schwierigkeiten hohe Integrationsleistungen erbracht hätten. Diese müssten bei einer Bleiberechtsregelung beachtet werden. "Gerade im Blick auf die Kinder und Jugendlichen, die nicht nur Deutsch als ihre Muttersprache empfinden, sondern die in unserer Gesellschaft voll integriert sind, erscheint es unsinnig, sie in eine ungewisse Zukunft abzuschieben", sagte der Kirchenbeauftragte.

Iraker sollen vom Bleiberecht ausgenommen werden
Als regelrecht "zynisch" bezeichnete Gutheil den Versuch, die etwa 9.000 geduldeten Iraker von einem Bleiberecht auszuschließen. "Fast täglich erleben wir, dass Terror und Gewalt den Irak kennzeichnen." Entspricht es da den humanitären Standards eines liberalen und weltoffenen Landes, Menschen wissentlich in ein solches Land abzuschieben?, appelliert der Migrationsexperte an die Innenminister.

Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk appellierte an die Innenminister, geduldeten irakischen Flüchtlingen ein Bleiberecht in Deutschland einzuräumen. Es gebe keinen sachlichen Grund für einen pauschalen Ausschluss von Irakern, sagte der deutsche UNHCR-Vertreter Gottfried Köfner in Berlin. In einem Positionspapier spricht das UNHCR sich außerdem für einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt für die betroffenen Flüchtlinge aus.