Integration in Uganda hat Vorbildcharakter

Landwirtschaft verhilft zu neuem Leben

Eine Million südsudanesische Flüchtlinge hat das Nachbarland Uganda aufgenommen. Der Jesuiten Flüchtlingsdienst sieht eine gelungene Integration, weil einige Dinge in dem ostafrikanischen Land ganz anders laufen als in Europa.

Flüchtlinge in Uganda / © Kay Nietfeld (dpa)
Flüchtlinge in Uganda / © Kay Nietfeld ( dpa )

domradio.de: Sie kennen Uganda gut, da Sie einige Zeit dort gelebt und gearbeitet haben. In welcher Region genau und wann?

Pater Frido Pflüger (Jesuiten Flüchtlingsdienst): Das war von 2003 bis 2006 in Norduganda an der Grenze zum Südsudan. Da gab es etwa hunderttausend südsudanesische Flüchtlinge, für die wir als Jesuiten-Flüchtlingsdienst vor allem den Schulunterricht organisiert haben. Und zwar für etwa 30.000 Kinder in den Flüchtlingssettlements, also in kleinen Siedlungen. Denn in Uganda gibt es keine großen Lager wie in anderen Ländern. Später war ich noch bis 2012 als Regionaldirektor tätig. Dann ging es eher um die Begleitung der Menschen, die wieder in den Südsudan zurückkehrten.

domradio.de: Aktuell hat Uganda fast eine Million Flüchtlinge aus dem Nachbarland Südsudan aufgenommen. Auch die größte Flüchtlingssiedlung der Welt, Bidi Bidi, mit 300.000 Bewohnern steht auf ugandischem Boden. Dort scheint das Zusammenleben ganz gut zu funktionieren. Wieso?

Pflüger: Erstens werden die Flüchtlinge willkommen geheißen und nicht abgelehnt. Wenn Geflüchtete ankommen, werden sie in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) registriert und erhalten ein Stück Land. Die Flüchtlinge in Uganda leben eben nicht in Lagern, sondern in kleinen Siedlungen, die sich auch kaum von den ugandischen Ortschaften in der Umgebung unterscheiden. Von daher ist das Zusammenleben zwischen den Flüchtlingen und der ugandischen Bevölkerung ganz gut.

domradio.de: Woran liegt das, dass die Menschen in Uganda den Geflüchteten so positiv gegenüber stehen? Weil sie vielleicht selbst mal geflohen sind?

Pflüger: Als 2005 der Friedensvertrag im Südsudan geschlossen wurde, haben das die Geflüchteten in Uganda gefeiert. Und bei diesen Feiern waren immer ugandische Regierungsvertreter dabei, die sich auch gefreut haben. Sie haben immer zu den Leuten gesagt, dass niemand zurückgetrieben werden würde. Jeder könne solange bleiben, wie er will. Denn die Menschen in Uganda erinnern sich noch daran, dass sie vor Jahren selbst auf der Flucht waren und im Sudan freundlich aufgenommen wurden. Viele Hunderttausende flohen in den Regierungszeiten des Diktators Idi Amin (1971-1979) und des Präsidenten Milton Obote (1966-1971, 1980-1985) vor Mord und Totschlag aus Uganda in den Kongo und den Südsudan, also in den damaligen Sudan.

domradio.de: Das erklärt schon mal die positive Haltung gegenüber Flüchtlingen. Aber ganz praktisch, wenn jetzt ein Flüchtling nach Uganda kommt, bekommt er ein Stück Land und auch innerhalb weniger Tage eine Arbeitserlaubnis. Was hat das denn zur Folge?

Pflüger: Zur Folge hat das, dass die Leute sich Arbeit suchen können. Und nicht auf die Lebensmittelrationen der internationalen Organisationen angewiesen sind. Wenn die Verpflegung mal nicht reicht, weil es Dürresituationen gibt oder es zu Ernteausfällen kommt, dann hilft zum Beispiel das Welternährungsprogramm. Aber auf jeden Fall sind die Leute beschäftigt und haben etwas zu tun. Es herrscht einfach nicht die Langeweile, die alle riesigen Lager kennzeichnet. In allen großen Lagern, in denen ich in Afrika war, sitzen die Menschen gelangweilt ohne Aufgabe da. In Uganda haben Geflüchtete ihr Land, dass sie bestellen können. Sie können auch kleine Betriebe gründen und das, was sie zusätzlich erwirtschaften, auf den Märkten verkaufen. Sie beleben eigentlich die ugandische Wirtschaft. Es gibt ja auch Fälle, in denen Flüchtlinge so erfolgreich sind, dass sie ugandische Leute einstellen können.

domradio.de: Das ist auch genau das, was gerade eine Studie ergeben hat: Jeder integrierte Flüchtling stärkt die lokale Wirtschaft. Was können wir uns denn in Deutschland und in Europa von dem Projekt zum Vorbild nehmen?

Pflüger: Wir tun uns ja unheimlich schwer, auch in Deutschland, den Flüchtlingen schnell eine Arbeitserlaubnis zu geben. Ich habe sehr viel mit Leuten zu tun, die manchmal schon über Jahre in Deutschland leben und keine Arbeitserlaubnis haben. Manchmal aus Gründen, die eigentlich nichtssagend sind. Zum Beispiel, wenn jemand keinen Ausweis hat, bekommt er einfach keine Arbeitserlaubnis. Ich frage mich immer, was der Ausweis mit der Arbeitserlaubnis zu tun hat, wenn man doch die Leute kennt und sie schon seit Jahren hier sind und man weiß, um wen es sich handelt. Oder auch die jungen Menschen, deren Bleibeperspektive sehr gering ist, müssen in den Aufnahmezentren bleiben, dürfen nicht arbeiten und auch keine Ausbildung anfangen. Dann vertun sie ihre Zeit, verschenken ihre wertvolle Lebenszeit und wir zwingen sie auch noch dazu.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Pater Frido Pflüger vom Jesuitenflüchtlingsdienst / © Jesuitenflüchtlingsdienst
Pater Frido Pflüger vom Jesuitenflüchtlingsdienst / © Jesuitenflüchtlingsdienst
Quelle:
DR