DOMRADIO.DE: Sie stehen im engen Austausch mit den Helferinnen und Helfern. Was motiviert denn die Ehrenamtlichen, sich für diese Menschen aus der Ukraine zu engagieren?
Gabriele Atug-Schmitz (Integrationsbeauftragte der "Aktion Neue Nachbarn" des Erzbistums Köln im Kreisdekanat RheinBerg): Viele der Helferinnen und Helfer sind schon seit 2015 dabei. Es gibt immer Menschen, die sich melden, wenn es akut wird. Als es letztes Jahr mit der Ukraine-Hilfe losging, haben sich wahnsinnig viele Menschen gemeldet, die helfen wollten.
Am Ende sind es nach über anderthalb Jahren dann aber wieder die Menschen, die sowieso schon seit vielen Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv sind, die übrig geblieben sind. Viele von denen, die sich spontan gemeldet haben, sind nach einer Zeit wieder abgesprungen.
DOMRADIO.DE: Wie sieht denn bei den Ehrenamtlichen eine typische Hilfestellung aus? Was können die leisten? Wie können sie den Flüchtlingen helfen?
Atug-Schmitz: Was typisch ist, kann man gar nicht sagen. Das kann Alltagsbegleitung sein, das kann Wohnraumvermittlung sein, das kann eine Job-Patenschaft sein. Das kommt immer darauf an, wer gerade mit welchen Geflüchteten zusammenkommt.
Manchmal entscheiden das die Menschen selber, weil sie sich kennengelernt haben. Manchmal sagen die gezielt: Ich kann in dem Bereich unterstützen. Dann versuchen wir was zu vermitteln. Das ist ganz unterschiedlich. Von Freizeitgestaltung bis Jobvermittlung kann da wirklich alles dabei sein.
DOMRADIO.DE: Die Menschen kommen aus einem Kriegsgebiet. Wie geht es den Menschen von der psychischen Lage her, wenn sie es dann nach Deutschland geschafft haben oder wenn sie wissen, dass sie noch Angehörige im Kriegsgebiet haben?
Atug-Schmitz: Wenn man im Eins-zu-eins-Kontakt mit den Menschen spricht, merkt man schon, dass das sehr belastend und auch traumatisch ist. Ich denke, dass der Großteil auch traumatisiert ist.
Ich habe ganz am Anfang ein Begegnungscafe gestartet und wollte erst mal gucken und sammeln, welche Bedürfnisse es da gibt und wo wir unterstützen können. Wir hatten auch Seelsorger dabei, Bildungswerke, um die Bedarfe erst mal abzufragen. Ich war über die Stimmung schon sehr erschrocken, die da herrschte.
Da war ein junges Mädchen, die guckte einfach nur starr irgendwo hin und war kaum ansprechbar. Da habe ich direkt gemerkt, da sitzt schon was Tiefes. Da versuchen wir natürlich auch, so gut es geht zu vermitteln und psychologische Unterstützung möglich zu machen, soweit es geht.
DOMRADIO.DE: Es sind unterschiedliche Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen. Wie muss man sich das bei den Menschen aus der Ukraine vorstellen? Sind das vor allem Frauen und Kinder oder auch komplette Familien mit den Vätern?
Atug-Schmitz: Am Anfang waren gefühlt etwa 100 Frauen und Kinder da. Da habe ich gar keinen Mann gesehen. Mit der Zeit sind Männer nachgereist, zum Teil auf abenteuerlichen Wegen. Sie haben auch viel dafür bezahlen müssen.
Mittlerweile gibt es auch einen großen Nachzug, auch von älteren Menschen. Wir haben viele ältere Menschen hier. Die versuchen natürlich auch, ihre Familie nachzuholen. Aber am Anfang waren es Frauen und Kinder. Mittlerweile werden es auch immer mehr Männer, Familien und Großfamilien.
DOMRADIO.DE: Ein großes Thema ist der Wohnraum. Konnten Sie über Ihre Helferinnen und Helfer, Unterkünfte oder sogar private Wohnungen vermitteln?
Atug-Schmitz: Wir haben einen direkten Aufruf gemacht, auch gezielt in unsere kirchlichen Kontakte, weil wir wissen, dass es da viele Möglichkeiten gibt. Aber natürlich ging der Aufruf auch in die Breite. Am Anfang konnten wir einiges vermitteln.
Später war es so, dass zumindest bei uns in Bergisch-Gladbach "Habitat for Humanity" aktiv geworden ist. Wir verweisen dann oft an die Organisation und arbeiten aber auch Hand in Hand.
DOMRADIO.DE: Was ist denn das Entscheidende für Ihre ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer? Haben die auch mal gesagt, dass es ihnen große Freude macht, mit den Flüchtlingen zu arbeiten? Oder ist es auch so, dass sie durchaus merken, dass sie es auch mit sehr belasteten Menschen zu tun haben?
Atug-Schmitz: Das ist beides. Ich treffe mich monatlich mit meinem engsten Ehrenamts-Team. Da hat man einen geschützten Raum, wo man mal sprechen kann und wo man sich auch mal auslassen kann.
Da gibt es wirklich alles: Vieles, was gut läuft, vieles, wo man sich mitfreuen kann, aber es gibt natürlich auch Sorgen und Nöte, die in der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit aufploppen.
DOMRADIO.DE: Was läuft denn gut?
Atug-Schmitz: Ich finde es generell schön, positive Beispiele zu zeigen, weil es einfach motivieren kann und weil es viel Schönes in der Arbeit mit Geflüchteten gibt. Man kann Menschen direkt helfen. Da gibt es ganz viele Beispiele.
Wenn Menschen gerade ihr Examen geschafft haben, eine Ausbildungsstelle beendet haben oder wenn man mit auf eine Familienfeier eingeladen wird, wenn Hochzeiten gefeiert werden, wenn sich Familien gefunden haben, sind das positive Beispiele.
Wenn man einen Job vermittelt hat und sieht, dass es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer passt, dann sind das einfach schöne Momente.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie Ihren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern bei ihrer Arbeit für die Zukunft?
Atug-Schmitz: Viel Kraft und viel Sonne im Herzen. Es ist sehr herausfordernd. Ich kann nur sagen: Ich bin wahnsinnig dankbar für jeden, der sich engagiert. Das ist eine Wahnsinnsleistung, die die Menschen jetzt schon seit so vielen Jahren leisten.
Ich kann einfach immer nur Danke sagen und ich freue mich, dass es diese Menschen gibt, die aus Nächstenliebe handeln. Ich wünsche ihnen viel Kraft, Gesundheit, Freude und dass sie das hoffentlich auch alles irgendwie zurückbekommen.
Das Interview führte Mathias Peter.