Die Aufarbeitung von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs gegen Verstorbene ist umstritten. In der katholischen Kirche ist man zu unterschiedlichen Antworten gekommen. Zuletzt hatte sich das Dikasterium für die Gesetzestexte geäußert. Das Dikasterium sieht grundsätzlich keine Gründe für die Nennung der Namen von verstorbenen Beschuldigten.
Im Januar haben die Jesuiten in Irland 14 beschuldigte Ordensmänner öffentlich gemacht. Zuvor wurde eine unabhängige Arbeitsgruppe eingerichtet, um Standards zu prüfen und zu beraten, die bei einer Entscheidung der Gesellschaft Jesu angewandt werden sollten, "den Namen eines verstorbenen Jesuiten, der Gegenstand einer Klage wegen sexuellen Kindesmissbrauchs ist, öffentlich zu machen".
37 beschuldigte Mitglieder der Gesellschaft Jesu untersucht
Die Arbeit der interdisziplinären Kommission aus dem früheren Supreme Court-Richter John MacMenamin, der Psychotherapeutin Rosaleen McElvaney und einem früheren Direktor der irischen "Kinder und Familien-Agentur", Paul Harrison, arbeitete auf der Grundlage eines Berichts über das Verhalten von Pater Joseph Marmion (Joint Past Pupils - Jesuit Steering Group Narrative). Der Bericht "lieferte wertvolle Zusammenhänge und Details", heißt es im Bericht der Arbeitsgruppe. Zudem habe man vorab Forschungsarbeiten zur Glaubwürdigkeitsanalyse von Opfer-/Täteraussagen hinzugezogen.
Insgesamt hat die Arbeitsgruppe Material zu 37 beschuldigten Mitgliedern der Gesellschaft Jesu seit 1935 untersucht. Die Kommission betont, dass sie zu diesem Zeitpunkt ("at this point") die Empfehlung geben könne, die Namen von 14 Ordensmännern zu nennen, was nicht bedeute, dass man andere Beschwerden für unglaubwürdig halte.
"Der Prozess der Beweissammlung ist notwendigerweise ein fortlaufender Prozess", so die Kommission. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei die Gruppe jedoch der Ansicht, dass die für den Zweck der Nennung festgelegten Kriterien nur bei den 14 Ordensmännern erfüllt werde.

Welche Kriterien liegen der Entscheidungen zugrunde? Die Kommission legt Wert auf die detaillierte Darlegung von Missbrauchsschilderungen. Vage oder pauschale Anschuldigungen erfüllen das Kriterium demnach nicht. Die Kommission achtet zudem darauf, ob es mehrere Beschwerdeführer gibt und ob ein "einheitliches Verhaltensmuster bei mehreren Anschuldigungen erkennbar" wird.
Ein weiteres Kriterium für die Kommission stellen polizeiliche Anzeigen und "professionelle Berichte" dar. Die Kommission hat ebenso Beschwerden von Familienangehörigen, anderen Jesuiten und Freuden oder Fürsprecher der beschuldigten Person hinzugezogen. Als Hinweis auf die Echtheit der Vorwürfe gilt der Kommission auch, wenn der Betroffene die Erfahrung sexuellen Missbrauchs gegenüber einer anderen Person offengelegt hat, bevor er oder sie sich an die Jesuiten gewandt hat. Auch dies wird als Hinweis für die Echtheit der Vorwürfe gewertet.
Geständnisse von Kindesmissbrauch generell anerkannt
Ein weiteres Augenmerk legte die Untersuchung auf Hinweise der Betroffenen, ob sie weitere Betroffene des Missbrauchs vermuten, sowie auf Aussagen von Zeugen wie Schulpersonal oder anderen Jesuiten. Geständnisse von Kindesmissbrauch wurden generell anerkannt. Vage Hinweise wie ein allgemeines Eingeständnis, dass ein Mitglied der Gesellschaft "etwas Falsches" getan habe, hingegen nicht.
Laut dem Bericht war die Frage, ob es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass ein Mitglied der Jesuiten andere Kinder missbraucht hat, eine wichtige Frage der Kommission bei der Prüfung der Kriterien. Großen Wert legt sie darauf, dass die Nicht-Nennung eines beschuldigten Jesuiten "nicht dahingehend interpretiert werden sollte, dass einem Beschwerdeführer nicht geglaubt wurde. Jeder Fall wurde als Teil eines Prozesses betrachtet, bei dem weiteres Material geprüft wird, sobald es verfügbar ist."

Nach wie vor gebe es die große Sorge, dass ein offener Umgang mit dem Missbrauch, das Image der Kirche beschädigt, sagte der Jesuit und Kinderschutzexperte Hans Zollner im Interview mit dem irischen Sender RTE: "Das gilt nicht nur für Bischöfe und Priester, sondern auch für einfache Gläubige."
Das irische Vorgehen, mit klaren Kriterien und gründlicher Abwägung, Namen auch Verstorbener nennen zu können, sieht Zollner als Weg, wenn sich Vorwürfe gegen verstorbene Kleriker aus Orden und Diözesen richten, denen man nicht mehr die Gelegenheit geben konnte, sich selbst zu verteidigen.