Irische Kirche hat Zweifel an IRA-Untersuchungsbericht zu Priester

Empörte Bischöfe

War der katholische Priester James Chesney an einem der blutigsten Attentate in Nordirland 1972 beteiligt? Diese Frage beschäftigt seit Tagen Großbritannien. Die irischen Bischöfe reagieren empört auf entsprechende Vorwürfe der Polizei.

 (DR)

Der frühere Bischof von Derry in Nordirland, Edward Daly (76), hat den Untersuchungsbericht der britischen Polizei zum Bombenattentat von Claudy 1972 scharf zurückgewiesen. Eine Verantwortlichkeit oder Beteiligung des Priesters James Chesney, wie sie der Bericht nahelege, sei durch nichts bewiesen, heißt es in einer Erklärung Dalys, die die Irische Bischofskonferenz am Montag veröffentlichte.



Darin übt der Bischof, der die Diözese in den konfliktreichen Jahren 1974 bis 1993 leitete, auch scharfe Kritik an der Medienberichterstattung über den Polizeibericht. Im Kampf um die schrillste Schlagzeile sei die einst sakrosankte Unschuldsvermutung heute offenbar ersetzt durch eine grundsätzliche Schuldvermutung, so Daly. In den Jahren des Terrors hätten Journalisten unter größter Gefahr die Wahrheit gesucht und seien nicht "wie Schafe dem Establishment oder dem Staat nachgelaufen".



Rückblick

Britische und irische Medien hatten vor einer Woche breit über die Ergebnisse der polizeilichen Untersuchung berichtet. Dort hieß es, Spitzenvertreter von Polizei, britischer Regierung und katholischer Kirche hätten den tatverdächtigen Priester gemeinsam gedeckt und in eine Nachbardiözese versetzt, um das damals herrschende Klima der Gewalt nicht durch die Verhaftung eines Geistlichen weiter aufzuheizen. Regierung und führende Kirchenvertreter hatten die Ergebnisse des Berichts anerkannt und ihr Bedauern über das damalige Vorgehen erklärt. Dieses sei den Todesopfern und ihren Hinterbliebenen nicht gerecht geworden.



Im nordirischen Dorf Claudy waren am 31. Juli 1972 drei Autobomben explodiert. Dabei starben neun Menschen, Protestanten wie Katholiken, darunter drei Kinder. Die Tat, eine der blutigsten im Nordirland-Konflikt, wurde nie aufgeklärt.



"Es ist eine enorme Beleidigung"

In seiner mehrseitigen Stellungnahme arbeitet Bischof Daly die Ergebnisse des Polizeiberichts durch und zweifelt sie an. Er habe den Priester Chesney damals "recht gut gekannt", ebenso den irischen Kardinal William Conway (1913-1977), der 1973 Chesneys Versetzung aus Derry veranlasst haben soll. "Massenmord ist nicht zu vergleichen mit irgendeiner anderen Sünde oder Verbrechen", so Daly. Er sei "die schmutzigste und ekelhafteste Tat von allen". Er habe den Terror mit eigenen Augen erlebt: "Es ist eine enorme Beleidigung anzudeuten, dass ich jemandem, von dem ich weiß, dass er ein Massenmörder ist, als Priester in meiner Diözese arbeiten lasse." Auch Wortwahl und Verhalten des Kardinals, wie sie in dem Polizeibericht beschrieben seien, passten ganz und gar nicht zu Conway.



Eine entscheidende Schwäche in der Argumentation des Berichts sieht Bischof Daly in der "unerklärlichen Schüchternheit" der britischen Polizei im Umgang mit dem verdächtigen Priester. Er sei bis zu seinem Tod 1980 nicht einmal verhaftet oder verhört worden. Eine solche Zurückhaltung der Polizei habe er selbst als Bischof nicht erfahren. Wenige Monate vor den Claudy-Morden seien in Belfast zwei katholische Priester von der britischen Armee erschossen worden. "Sollte jemand angenommen haben, dass die bloße Verhaftung eines unbekannten Priesters in der Grafschaft Derry das chaotische Klima im Land noch irgendwie hätte verschlechtern können? Nordirland war 1972 Kriegsgebiet", so der Bischof.



Auch die Andeutung des Polizei-Ombudsmannes vor Reportern, Chesney habe seine IRA-Tätigkeit womöglich in seiner neuen Diözese fortgeführt, nannte Daly "nicht hinnehmbar". Nichts habe darauf hingewiesen, und "er wusste, dass ich ihn überwachen ließ".