Islambeauftragter des Bistums Erfurt über Moschee-Bauvorhaben

"Religion würdevoll leben"

Die Ahmadiyya-Gemeinde will in Erfurt eine Moschee bauen. Die AfD will diesen Bau verhindern und hat dagegen demonstriert. Der Islambeauftragter des Bistums Erfurt hat die Proteste beobachtet und sich für einen interreligiösen Dialog ausgesprochen.

Muslime in Deutschland / © Julian Stratenschulte (dpa)
Muslime in Deutschland / © Julian Stratenschulte ( dpa )

domradio.de: Wie haben Sie die Demonstration denn erlebt?

Hubertus Staudacher (Islambeauftragter des Bistums Erfurt): Die AfD demonstriert ja schon mehrere Monate, jetzt über die Wintermonate zwar weniger, aber ansonsten relativ regelmäßig. Da gab es zunächst mal von der Sache her keinen großen Unterschied. Dieses Mal gab es aber weniger Teilnehmer, als ich das so im letzten Halbjahr oder im vergangenen Jahr erlebt habe. Ich würde schätzen, dass es zwischen 700 und 800 Personen waren.

domradio.de: Wie ist denn die Stimmung generell in der Stadt gegenüber diesem Moscheebau?

Staudacher: Die gesellschaftliche Diskussion läuft natürlich erst an. Es gab in der vorherigen Woche eine Pressekonferenz, bei der öffentlich gemacht wurde, dass eine Bauvoranfrage gestellt worden ist. Die ist auch nach meinem Wissen von der Stadt weder positiv noch negativ beantwortet worden. Sie wird geprüft. Jetzt beginnt natürlich besonders in Marbach, einem kleineren Ortsteil von Erfurt, der früher eine eigenständige Gemeinde gewesen ist, die gesellschaftliche Diskussion und da wird man jetzt Aufklärungsarbeit betreiben müssen. Es will eine ganz konkrete Gemeinde bauen: die Ahmadiyya-Gemeinde. Die Diskussion wird wahrscheinlich alle Facetten haben, die wir aus Leipzig zum Beispiel kennen, nachdem dort der Bauantrag gestellt worden ist. Also es wird positive Stimmen geben, es wird aber auch relativ viele Stimmen geben, die sagen: "Ja gut, warum nicht?! Es stört uns nicht", und es wird auch sicher einen gewichtigen Prozentsatz geben, die sich gegen den Bau aussprechen.

domradio.de: Also es geht um den möglichen Moscheebau. Wie sieht denn das Bistum die Sache?

Staudacher: Es gibt vom Bistum her eine grundsätzliche positive Einstellung. Das ist bei uns durch die Konzilstexte, die Erklärung zur Religionsfreiheit und die Erklärung zu den nicht-christlichen Religionen getragen. Ich denke dabei auch an das Schreiben der Bischöfe aus dem Jahr 2008 zum Moscheebau in Deutschland. Religionsgemeinschaften haben das Recht, ihre Religion, ihren Kult in würdigen Formen zu leben und zu praktizieren. Was wir jetzt vielfach in Kellerräumen, in Hinterhofmoscheen, in sehr ungeeigneten Räumen erleben, das kann man nicht als würdevollen Kult bezeichnen.

domradio.de: Wie ist das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen in Erfurt?

Hubertus Staudacher: Es ist das Verhältnis zwischen Minderheiten, das ist auch erstmal noch der große Unterschied zu den alten Bundesländern, weil nämlich Religion grundsätzlich unbekannt ist. In Erfurt gibt es 80 Prozent Areligiosität. Es gibt vielleicht vier Prozent Katholiken, 15 Prozent evangelische Christen und dann noch einige, die man anderen Gruppierungen zurechnen kann. Ich glaube aber, dass das Verhältnis auf einem guten Weg ist. Man lernt sich jetzt erst einmal kennen. Wir sind in einer Phase, in der auch Katholiken und evangelische Menschen erleben, dass es jetzt andere Religionen gibt. Das haben wir vorher hier nicht so wahrgenommen, auch wenn es seit ein paar Jahren eine ganze Reihe von kleineren muslimischen Gemeinden in Thüringen gibt. Aber es fiel eigentlich nicht auf. Jetzt wird es natürlich auch durch die Flüchtlingsbewegung nochmal zu einem ganz anderen Thema.

Wir haben einen interreligiösen Gesprächskreis in Thüringen, in dem sich die evangelische und katholische Kirche, die russisch-orthodoxe, die jüdische Landesgemeinde und mehrere muslimische Gemeinden, die Schiiten und mehrere sunnitische Gemeinden untereinander austauschen. Dieser Dialog wird sicher auch nicht problemlos ablaufen. Es gibt Grundsätze, über die wir reden müssen, es gibt Punkte, über die wir auch streiten müssen. Das müssen wir lernen, und das tun wir gerade auch. 

Das Gespräch führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR