Mehrere Religionen, verschiedene Völker und Einwanderer von allen Kontinenten machen den einzigartigen ethnisch-religiös-kulturellen Mix des jungen Staates Israel aus. Statt jedoch einen Schmelztiegel der Kulturen herauszubilden, zerfällt die Gesellschaft 70 Jahre nach der Staatsgründung in immer kleinere Gruppen.
Europäisch gegen orientalisch, religiös gegen säkular, links gegen rechts: Dem Traum Theodor Herzls und der zionistischen Bewegung vom "neuen Hebräer" und einer einheitlichen jüdischen Nation steht heute ein extrem heterogenes Israel gegenüber. Die Christen etwa genießen demokratischen Schutz, ihre Minderheitenrolle bedeutet zugleich eine Herausforderungen.
Israel will Heimatstätte für Juden sein
Sowohl Integration als auch Abgrenzung, sind in gewisser Weise bereits in der Entstehung des Staates angelegt: Explizit definiert die Unabhängigkeitserklärung von 1948 Israel als jüdischen Staat. Vor der Staatsgründung auf dem Gebiet lebende Muslime, Christen, Drusen und Bahai wurden eingegliedert. Als Staatsbürger mit gleichen Rechten gehören sie einerseits dazu.
Andererseits bleiben sie als nichtjüdische Minderheiten im jüdisch geprägten Establishment außen vor, das zunehmend religiös-nationale Züge trägt. Von seiner ersten Minute an hatte der neue Staat den Anspruch, Heimstätte für Juden aus aller Welt zu sein.
Eine Einwanderernation
Lebten bei Staatsgründung 650.000 Juden im Land, verdoppelte sich ihre Zahl durch Einwanderung bereits in den ersten drei Jahren. Inzwischen ist sie auf 6,5 Millionen gestiegen – rund dreiviertel der Staatsbürger. Von diesen wiederum sind die meisten im Land geborene Israelis.
Die heutige Zusammensetzung der jüdischen Bevölkerung Israels ist das Ergebnis mehrerer Einwanderungswellen, die mit der wechselhaften weltpolitischen Entwicklung zusammenhingen. Die ersten Immigranten, die nach Staatsgründung ins Land kamen, waren europäische Juden, Überlebende der Schoah. Es folgten Juden aus Asien und Afrika, darunter ganze Gemeinden wie etwa aus dem Jemen oder dem Libanon. Die bisher letzten größeren Gruppen stammen aus Äthiopien und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion.
Was ist "jüdisch"?
Die Idee Israels als jüdischer Staat spricht noch immer die allermeisten jüdischen Israelis an, doch damit endet heute vielfach die politische Einigkeit. Was genau bedeutet "jüdisch"? Schon an dieser Frage scheiden sich die Geister. Eine kodifizierte Verfassung hat das Land bis heute nicht – unter anderem, um eine solch heikle Definition zu umgehen.
Von einer Gesellschaft mit einer klaren Mehrheit habe sich Israel in eine Gesellschaft verwandelt, in der es weder klare Mehrheiten noch Minderheiten gebe, lautet einer der regelmäßigen Sätze von Präsident Reuven Rivlin. Damit beklagt er einen Zerfall der Gesellschaft in Parallelwelten: Jede Gruppe fühle sich gleichermaßen diskriminiert und in ihrer Identität durch die anderen Gruppen gefährdet.
Christen werden nicht verfolgt
Der Gräben verlaufen dabei nicht nur zwischen Juden, Muslimen und Christen. Allein die jüdische Community zerfällt in strengreligiöse, moderne, traditionelle und säkulare Gruppen. Austausch und Interaktion zwischen ihnen gibt es kaum. Ähnliches gilt für die anderen religiösen Gemeinschaften: Christen, Drusen und Muslime bleiben jeweils am liebsten unter sich.
Die Christen sind eine der kleinsten israelischen Minderheiten. Seit es das Christentum gibt, gehören sie zum gesellschaftlich-religiösen Flickenteppich der Region – und stehen doch zwischen allen Stühlen. Obwohl sie mehrheitlich Araber mit israelischem Pass sind, fühlen sie sich kulturell eher als Palästinenser, was sie im israelisch-palästinensischen Konflikt zu Gegnern der Mehrheit ihrer Mitbürger macht.
Dennoch gehört das Christentum zusammen mit dem Islam, dem drusischen Glauben und dem Glauben der Bahai zu den anerkannten Religionen. Und der Staat garantiert seinen Bürgern Religionsfreiheit. Christenverfolgung wie in manchen arabischen Staaten der Region gibt es in Israel nicht.