Zugleich dürfe man die Umwidmung "nicht zu einer aktuellen islamischen Aggression aufspielen". Es gehe um den Versuch einer innenpolitischen Selbstprofilierung durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan; "darauf gehen wir nicht ein", sagte Körner, der an der Päpstlichen Universität Gregoriana lehrt, am Montag auf Anfrage in Rom.
Körner erinnerte daran, in Europa gebe es "viele Kirchen, die früher Moscheen waren". Als Beispiel nannte er die architektonisch herausragende Mezquita in Cordoba, in die man "eine gotische Kathedrale von mittelmäßiger künstlerischer Qualität" eingebaut habe.
Wenn die Hagia Sophia von einem Museum wieder in ein Gotteshaus rückverwandelt werde, müssten sich Gläubige "eigentlich erst einmal freuen", weil dort wieder gebetet werde. "Istanbul ist nicht Mekka. Nichtmuslime dürfen die Stadt und ihre Heiligtümer betreten", betonte Körner.
"Rhetorik der Rivalität"
Andererseits beklagte er eine "Rhetorik der Rivalität" auf beiden Seiten. Dabei werde die gottesdienstliche Nutzung "missbraucht, um Gegnerschaften aufzubauschen", so der Ordensmann, der auch Berater der päpstlichen Kommission für die Beziehungen zu den Muslimen ist.
In der Geschichte seien im Zuge von Eroberungen immer wieder Gotteshäuser an andere Religionen gefallen. Darüber könne man "traurig sein", es sei aber eine unabänderliche Tatsache, so Körner. Mit Blick auf die Hagia Sophia widersprach der Theologe der Sichtweise, die Christenheit habe erst durch ihre jetzige Umwandlung in eine Moschee "eine Kirche verloren".
"In Wirklichkeit haben die Osmanen Konstantinopel nicht vorgestern, sondern 1453 erobert. Die gesamte westliche Christenheit schaute damals weg. Auch darüber sollte man traurig sein: Keiner half", sagte Körner.
Zur Frage nach möglichen religiösen Unruhen in der Türkei sagte Körner, der christlichen Minderheit gehe es "nicht schlechter als religiösen Minderheiten in den meisten sogenannten christlichen Ländern". Wenn es Unruhe in der Türkei gebe, gehe sie nicht von Christen aus, sondern "von dem gesellschaftlichen Ruf nach einer anderen Politik", sagte Körner.
Die meisten Muslime in der Türkei sähen das Christentum "nicht als Gegner, sondern als Gesprächspartner, als Schwesterreligion". Viele durchschauten "die Instrumentalisierung religiöser Fragen für politische Zwecke".