KNA: Am Mittwoch wurden Sie zum Vorsitzenden der EU-Bischofskommission COMECE gewählt. Wie fühlen Sie sich mit dem neuen Amt?
Bischof Mariano Crociata (Bischof der Diözese Latina-Terracina-Sezze-Priverno und Vorsitzender der EU-Bischofskommission COMECE): Ich fühle eine große Verantwortung.
Einerseits erschreckt sie mich wegen der Weite und Komplexität der Fragen und Probleme. Andererseits macht sie mich auch ziemlich gelassen, weil die COMECE eine Gruppe von Bischöfen ist, die sich auf verschiedene Weise engagiert und ihre Absichten und Sorgen teilt.
So besteht unsere Absicht nicht nur darin, als Beobachter gegenüber der Europäischen Union aufzutreten. Wir wollen auch unsere Gemeinschaften, unsere Kirchen zu mehr Sensibilität gegenüber Europa animieren. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe. Es ist leicht, über alles andere als Europa zu sprechen. Zum einen gibt es eine gewisse Voreingenommenheit aufgrund von Klischees und Vorurteilen, zum anderen erscheint Europa oft weit weg.
KNA: Die katholische Kirche verliert aber in Europa immer mehr an Einfluss. Wie sehen Sie ihre Zukunft?
Crociata: Das stimmt, aber dieser Prozess hat nicht überall die gleiche Geschwindigkeit. Ich bin beispielsweise Bischof in Mittelitalien, aber komme aus Sizilien und würde sagen, dass der Prozess im zentralen Süden langsamer ist. Wir haben also das Problem, diesen Wandel in all seinen Facetten und Geschwindigkeiten zu begleiten. Das bedeutet auch, diejenigen zu begleiten, die nach einem Christentum leben, das, sagen wir mal, aus der Vergangenheit stammt und diese Merkmale bewahren will.
Ich weiß nicht, welche Veränderungen auf uns zukommen. Darum ziehe ich es vor, mich zwar vorzubereiten, aber die Zukunft nicht vorwegzunehmen. Wir müssen bereit sein, vielleicht auch für das Schlimmste, aber das schüchtert uns nicht ein. Wir müssen nur besser verstehen, wie wir damit umgehen können.
KNA: Es herrscht Krieg in Europa, in der Ukraine. Was können die europäischen Bischöfe dagegen tun?
Crociata: Ich würde sagen, nicht viel. Ich glaube, die derzeitige Situation ist eine Sackgasse. Aber wir haben die Aufgabe, den Dialog, die Begegnung zu fördern, den Wunsch nach Frieden zu bezeugen und alle aufzurufen, nach neuen Ideen und Möglichkeiten des Kontakts zu suchen. Hier müssen wir die Initiative ergreifen und mit aller Kraft auf dieses Ziel und dieses Bewusstsein hinarbeiten.
Es gibt zwei Akteure in sehr unterschiedlichen Ausgangslagen. Angreifer und Angegriffener dürfen nicht gleichgesetzt werden, aber sie sind diejenigen, die handeln müssen. Wir haben die Macht des Wortes, des Appells, der Hoffnung und der Zuversicht.
KNA: Neben dem Krieg gibt es noch viele weitere Herausforderungen für Europa und die katholische Kirche. Was werden Ihre größten zu bewältigenden Aufgaben in der kommenden fünfjährigen Amtszeit sein?
Crociata: Ein Anliegen ist wirklich, Europa im Prozess der Einheit zu begleiten, der immer wieder herausgefordert wird. Als Kirche haben wir die Aufgabe, den Menschen zu zeigen, dass Europa für alle wertvoll ist. Die EU ist ein Projekt, das immer noch ein Ideal, eine Faszination birgt, die es zu verwirklichen gilt. Damit untrennbar einher geht auch die Sorge um das reiche christliche Erbe, das nicht verloren gehen darf.
Aber wenn ich über Europa spreche, dann geht es natürlich auch um die Menschen, die wirtschaftlichen Probleme, die Probleme der Migranten und das Problem der Integration, der Beziehungen zwischen den Völkern. Dies sind Themen, die uns am Herzen liegen und die wir mit großer Sorgfalt und Aufmerksamkeit verfolgen möchten. Je mehr Zeit vergeht, desto zerbrechlicher wird es.
KNA: Im Moment tagt der Europäische Rat in Brüssel. Wenn Sie als neuer Präsident der COMECE eine Botschaft an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union richten könnten, wie würde diese lauten?
Crociata: Ich würde die Botschaft sehr allgemein formulieren: Tun Sie alles, um Missverständnisse, Schwierigkeiten und Unterschiede, die trennen, zu überwinden. Respektieren Sie die Unterschiede und Identitäten der anderen, aber suchen Sie gemeinsam mit Respekt die Einheit, um Europa wachsen zu lassen.
Das Interview führte Severina Bartonitschek.