Italiens bittere Fastenzeit begann drei Tage vor Aschermittwoch. Am 23. Februar wurde als erstes die Kleinstadt Codogno unter Quarantäne gestellt. Gut zwei Wochen später, am Abend des 9. März, erklärte Ministerpräsident Giuseppe Conte das ganze Land zur "roten Zone". Ausgangssperre für alle - außer für Wege zur Arbeit, zum Einkaufen sowie zum Arzt oder Apotheker.
"Ciao, Italia! Insieme ce la faremo", ruft das Mädchen vom Balkon des Hochhauses gegenüber über den Innenhof. Seit vier Wochen ist sie mit Eltern und Bruder eingesperrt. Nach drei Wochen erst erlaubte die Regierung, dass ein Elternteil mit jeweils einem Kind vor die Tür darf, um sich etwas zu bewegen. Hunde mit Frauchen oder Herrchen durften dies von Anfang an.
Verzicht auf vieles
Die Italiener haben in dieser Fastenzeit auf vieles verzichtet: auf Bars, Restaurants, das Flanieren in den Straßen, auf Sport - so er nicht zu Hause per Videotrainer stattfindet -, Shopping, Kirchbesuch, Kino, Museen. Statt auf Lottozahlen und Wettervorhersage schaut die Nation gespannt auf Statistiken des Zivilschutzes. Die anfangs fast exponentielle Kurve flacht inzwischen ab.
Und so diskutieren Politiker und Wissenschaftler am Ende der vorösterlichen Bußzeit, wie viel Grund zur Hoffnung die Zahlen geben.
Dabei geht es zunächst nur um die medizinische Seite; die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind die anderen. Hinzu kommt im katholischen Italien die Religion.
Die Papstmesse um 7.00 Uhr wird im Staatssender RAI 1 übertragen, was die Einschaltquote zu dieser frühen Stunde verdoppelte. Umstritten bleiben die Öffnung der Kirchen, aber auch das Verbot von Gottesdiensten mit Gemeinde. Die Forderung von Lega-Chef Matteo Salvini, zu Ostern unter Auflagen die Kirchen für Messen zu öffnen, wurde zumeist als wahltaktisch kritisiert.
Die Forderung an sich kann etwa Kardinal Matteo Zuppi gut verstehen: "Auch mir würde es gefallen, die Karwoche und Ostern mit der Gemeinde zu feiern", so Bolognas Erzbischof im Zeitungsinterview.
Doch die Ansteckungsgefahr sei noch zu hoch, und die Kirche halte sich an die Gesetze. Anfangs habe er allerdings große Schwierigkeiten gehabt, die Entscheidung der Regierung nachzuvollziehen, Gottesdienste zu verbieten, Restaurants aber noch geöffnet zu lassen. - Zwei Tage später wurden auch diese geschlossen.
Kleinere Auferstehungsgeschichten
Italien lebt in den Tagen vor Ostern bereits von kleineren Auferstehungsgeschichten. Etwa der von Mauro aus Mantua: "Heute werde ich zum zweiten Mal geboren", zitierten Medien den 53-Jährigen.
Tagelang hatte der Covid-19-Patient intubiert auf der Intensivstation gelegen. Dann erhielt er als einer der ersten mit Antikörpern angereichertes Blutplasma eines Geheilten. Sieben Tage später konnte Mauro das Krankenhaus verlassen.
Und dann ist da Elena Pagliarini. Bekannt wurde die 43-jährige Krankenschwester, weil ein Kollege sie fotografierte, wie sie nach langen Schichtdiensten völlig erschöpft für ein paar Minuten auf einem Stapel Krankenakten eingenickt war. Wie Tausende Ärzte und Pfleger hatte auch Pagliarini sich später infiziert. Am Wochenende meldeten Zeitungen: Elena ist wieder da, sie geht zurück an die Front gegen das Virus.
Doch noch ist Karwoche. Erschreckend ins Bild gesetzt mit in Leichensäcke gepackten Toten, dicht nebeneinander liegend im Keller der größten geriatrischen Klinik Italiens, Pio Albergo Trivulzio in Mailand. Dort scheinen Corona-Infektionen verschleppt worden zu sein. 30 Tote allein in der ersten Aprilwoche. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Noch ein Lichtblick
Am selben Tag wieder ein Lichtblick: In Pavia haben Mediziner einen Schnelltest auf das Virus entwickelt: Für weniger als fünf Euro und etwas Blut gibt es binnen einer Stunde das Ergebnis. Je öfter dieses negativ ist, umso positiver der Blick auf die Zeit nach Ostern.
Als Bischöfe, so Zuppi, hätten sie sehr gehofft, das Ende des Ausnahmezustandes werde mit dem Osterfest zusammenfallen. "Leider ist dem nicht so." Die strikten Einschränkungen gelten in Italien vorerst bis Ostermontag. Angesichts von Silberstreifen wie der sinkenden Zahl von Neuinfektionen will die Regierung über Ostern die nächsten Schritte entscheiden.
Solidaritätsgesänge und Beifallsbekundungen von Balkonen sind verstummt. Noch aber hängen Tücher an Fenstern und Balkonen: "Ce la faremo! Andra tutto bene!" - "Wir schaffen das! Alles wird gut." Am Samstagabend will Andrea Bocelli im leeren Dom zu Mailand quasi die Osternacht eröffnen. Der Titel seines Online-Konzertes: "Music for Hope".