FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg hält Kirche und Seelsorge gerade in der Corona-Krise für "existenzrelevant für die Menschen". Mit dem Begriff "systemrelevant" habe sie dagegen Bauchschmerzen, bekannte die Bundestagsabgeordnete in einem Webinar zum Thema "Christentum und Liberalismus – Liberale Profile in Thüringen", das die Internationale Martin-Luther-Stiftung und die FDP-Nahe Friedrich-Naumann-Stiftung am Montagabend durchführten. "Dabei kommt zu kurz, dass letztlich jeder Mensch systemrelevant ist."
Während des Coroa-Lockdowns habe sie indes gewundert, wie wenig über den zeitweisen Ausfall von Gottesdiensten und die Seelsorge in Krankenhäusern und Altenheimen diskutiert wurde. "Es ist manchmal auch wichtig, Menschen aufzusuchen, um sie in schwierigen Situationen zu begleiten."
"Wir haben gute Mitarbeiter"
Der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer verwies darauf, dass die Kirchen am Anfang der Krise das Problem hatten, dass sie Seelsorger nicht in Krankenhäuser und Altersheime schicken konnten, weil es nicht genügend Schutzkleidung gegeben habe. "Aber wir haben gute Mitarbeiter: Ein Pfarrer, der nicht zu einer alten Dame gelassen wurde, hat sich eingeklagt", sagte Kramer.
Menschen, die schon vor der Krise regelmäßig als Seelsorger tätig gewesen seien, hätten auch in der Krise Zugang zu den Heimen erhalten. "Als Kirche haben wir uns entschieden, eher leise und still zu sein, weil wir die Verantwortung gesehen haben, die auf der Regierung lag, als es etwa darum ging, Schulen zu schließen."
Unter geltenden Bedingungen zurück in normales gesellschaftliches Leben
Deutlich distanzierte sich Kramer von der Position der ehemaligen thüringischen Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU). Sie hatte den Kirchen vorgeworfen, in der Krise versagt und "hunderttausende Menschen allein gelassen" zu haben. "Diese Pauschalkritik ist unmöglich und trifft nicht den realen Zustand", sagte Kramer. Lieberknecht habe wohl lediglich "Versatzstücke wahrgenommen", die sie zu ihrer Kritik veranlasst hätten.
Er stimmte aber Teuteberg zu: "Auch die Kirche setzt auf Regionalisierung", sagte der leitende Geistliche der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Zu seiner Kirche gehörten die Altmark, wo es seit Wochen keine Neuinfektionen mehr gebe, ebenso wie der thüringische Kreis Sonneberg, der als Corona-Hotspot gelte. "Da kann man nicht mit einer Elle drauf kommen", sagte Kramer.
Der Theologe betonte, dass es nach der Corona-Pandemie soziale Veränderungen geben werde. "Wir müssen in eine Struktur kommen, wo wir unter den dann geltenden Bedingungen zu einem normalen gesellschaftlichen Leben kommen."
Teuteberg für regionale Lockerung von Eindämmungsmaßnahmen
FDP-Generalsekretärin Teuteberg hatte den Vorstoß des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) zu einer Lockerung der Corona-Eindämmungsmaßnahmen kritisiert. "Ich finde, dass das nicht gut kommuniziert war", sagte die Bundestagsabgeordnete ebenfalls in dem Webinar.
Der Vorstoß Ramelows zeige aber, dass schon länger eine offene Debatte über regional differenzierte Maßnahmen erforderlich sei.
"Wenn in einer Region geringere Infektionszahlen sind, kann auch mehr Öffnung stattfinden", sagte Teuteberg. "Die Pandemie ist aber noch nicht vorüber und da darf man nicht zu Leichtsinn animieren: Das Abstandhalten ist weiter nötig."