DOMRADIO.DE: Sie vermissen eine Klimaprämie für Menschen mit niedrigem Einkommen in dem Sondierungsergebnis von SPD, FDP und den Grünen. Wie müsste diese Prämie in ihren Augen aussehen?
Eva Welskop-Deffaa (Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes): Für uns ist es eine zentrale Forderung, dass der Klimaschutz sozial gerecht ausgestaltet wird. Es kann nicht sein, dass die Zustimmung zu diesem weltweit entscheidenden Zukunftsprojekt dadurch gefährdet wird, wenn Menschen in unteren Einkommensgruppen Sorge haben müssen, dass der Klimaschutz ihre Existenzgrundlage gefährdet.
Wenn die Strompreise steigen, dann braucht es eine Ausgleichsgestaltung. Dafür ist die Klimaprämie ein sehr gutes Instrument. Sie würde dafür sorgen, dass die Einnahmen, die über höhere CO2-Abgaben eingenommen werden, an die Menschen im unteren Einkommensbereich zurückgegeben werden, sodass ihr Nettoeinkommen nicht niedriger wird, aber die Steuerungswirkung der höheren CO2-Preise trotzdem greift.
DOMRADIO.DE: Sollte es tatsächlich zu einer Ampel-Koalition kommen, soll Hartz IV durch ein Bürgergeld ersetzt werden. Wie müsste dieses Bürgergeld denn gestaltet sein, damit es wirklich gerechter wäre?
Welskop-Deffaa: Bei der Überschrift "Bürgergeld" sind die Verhandelnden ein bisschen nervös geworden, weil in dem Sondierungspapier wirklich nur die Überschrift steht. Die Konzepte, die wir von den verschiedenen Akteuren kennen, sind so unterschiedlich, dass man gar nicht recht weiß, was gemeint ist.
Für die Caritas ist eine Forderung zentral: Wir brauchen Reformen bei den Sanktionen. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits deutlich gemacht. Wir halten es für dringend nötig, dass die Sondersanktionen für Jugendliche abgeschafft werden. Ob man das Bürgergeld, Abschaffung der Sanktionen oder Reformen des Hartz-IV-Systems nennt, ist am Ende nicht entscheidend.
Entscheidend ist, was rauskommt. Wir wissen, dass die verschärften Sanktionen dazu führen, dass Jugendliche aus den Fördermaßnahmen herausfallen. Jeder Vierte bei den 18- bis 25-Jährigen ist armutsgefährdet. Das ist mehr als bei den unter 18-Jährigen, weil die verschärften Sanktionen hier diesen irritierenden Effekt haben. Daran muss die nächste Bundesregierung dringend etwas ändern.
DOMRADIO.DE: Wenn wir über soziale Gerechtigkeit sprechen, dann denken wir auch direkt an die explodierenden Mieten und die Wohnungsnot, die in Deutschland herrscht. Ein Riesenproblem für Menschen mit kleinem Geldbeutel. Was fordern Sie?
Welskop-Deffaa: Ich glaube, es ist wichtig, dass einerseits mehr gebaut wird und mehr Wohnungen mit Mietpreisbindung entstehen. Andererseits brauchen wir aber auch bei den Kosten der Unterkunft und beim Wohngeld Anpassungen, die dazu führen, dass die Menschen, die wenig verdienen, die in einer Stadt wohnen, wo die Mieten hoch sind, sich trotzdem eine anständige Wohnung leisten können.
DOMRADIO.DE: Sie haben angekündigt, in den kommenden Wochen noch zu diversen sozialen Fragen mit den Verhandelnden ins Gespräch zu gehen. Wie müssen wir uns das konkret vorstellen?
Welskop-Deffaa: Darüber, was ich da alles mache, darf ich nicht so viel verraten. Das sind teilweise auch Gespräche, die davon profitieren, dass sie nicht in die Öffentlichkeit hineingetragen werden. Aber wir werden selbstverständlich die Verhandelnden der Koalitionsvereinbarungen mit unseren konkreten Vorschlägen konfrontieren.
Wir haben ausgearbeitete Vorschläge zu vielen Fragen wie den Pandemiefolgen oder zur internationalen Arbeit. Das sind ja zwei Bereiche, wo das Sondierungspapier besonders dünn ist. Wir wollen ein soziales Europa, das auf der Säule sozialer Rechte aufbaut.
Dann schaut man natürlich, wer in den Verhandlungsgruppen für ein solches Thema offen ist oder in der Vergangenheit durch eigene Publikationen deutlich gemacht, dass es ein Herzensanliegen ist. Wir versuchen dann, an diese Herzensanliegen der Verhandelnden mit unseren konkreten Vorschlägen und Erwartungen anzuknüpfen.
Das Interview führte Katharina Geiger.