Jerusalem rüstet sich für den Papstbesuch

Zwischen Erwartung und Frust

Im Josaphat-Tal zwischen Ölberg und Jerusalemer Altstadtmauer herrscht geschäftiges Treiben: Während Franziskaner in ihren braunen Kutten noch einmal die einzelnen Schritte der großen Papstmesse am Dienstag durchgehen, gewöhnt sich der Chor der Magnifikat-Musikschule mit arabischen Liedern an die Akustik auf dem biblischen Gelände. Gabi Fröhlich berichtet aus Jerusalem.

Autor/in:
Gabi Fröhlich
 (DR)

Ein riesiges Altarbild mit einer stilisierten Kopie der «Offenbarung Jesu vor Thomas» von Piero Casentini passt sich farblich in die steinige Landschaft ein. Mehrere Olivenbäume sind versetzt worden, um Platz für die Tribüne zu schaffen. Unterhalb davon glätten Arbeiter die Wege für das Papamobil. Benedikt XVI. kann kommen.

Auch Israel stimmt sich auf den Besuch des Kirchenoberhauptes ein: In Radiosendungen werden Experten nach seiner Einstellung zum Judentum und seinen Hobbys befragt - und danach, ob ein Papst auch sündigen könne. Das erste Fernsehprogramm kündigt Live-Übertragungen von den wichtigsten Stationen an. An allen Straßen, die Benedikt XVI. befahren wird, wehen Flaggen: das Gelb-Weiß des Vatikan neben dem Blau-Weiß Jerusalems und Israels.

Auch über den Gassen des christlichen Altstadtviertels flattern Wimpel wie zu hohen Festtagen. An Geschäften und Kirchtürmen kleben Plakate mit händeschüttelndem Benedikt und einem «Willkommen»-Gruß in vier Sprachen.

In den meisten Geschäften selbst reagiert man eher trocken auf den prominenten Besuch. Der Grund: Zum einen werden ganze Altstadtteile stundenweise komplett abgeriegelt. Zum anderen müssen die Läden, an denen der Papst vorbeikommt, an dem betreffenden Tag schließen: «security» - Sicherheit. Begeistert sind davon die wenigsten - schließlich geht das Geschäft eigentlich gerade gut. Der Vatikan hat allerdings darum gebeten, dass wenigstens einige Läden, etwa in der historischen «Christian Quarter Road», offen bleiben dürfen - damit Benedikt XVI. nicht durch eine Geisterstadt geführt wird.

Die anstehenden Straßensperren beschäftigen ganz Jerusalem: Listen mit entsprechenden Angaben kursieren; in den Schulen rechnet man sich aus, ob überhaupt jemand zum Unterricht gelangen kann. Die katholischen Schulen bleiben Dienstag und Mittwoch ohnehin geschlossen, um Kindern wie und Lehrern Gelegenheit zu geben, an den Gottesdiensten in Jerusalem und Bethlehem teilzunehmen. Die Schüler des muslimischen «Ibrahimi-College» haben gar die ganze Woche «papstfrei": Ihre Schule liegt genau unterhalb der Nuntiatur am Ölberg, wo das Kirchenoberhaupt logieren wird. Auf dieser Straße geht aufgrund der Absperrungen praktisch gar nichts.

Rund 80.000 Polizisten, Soldaten und Agenten mobilisiert Israel für die «Operation weißer Umhang». Die Koordination ist kompliziert: Der prominente Gast besucht extrem viele Orte und unterschiedliche Menschen in extrem kurzer Zeit. Die immensen Sicherheitsmaßnahmen sind es, die die einheimischen Christen am meisten bekümmern: «In Jordanien durften die Leute ihm überall an den Straßen die Hand schütteln», meint eine Lehrerin enttäuscht - «wir sind doch keine wilden Tiere.»

Am Wochenende vor dem Papstbesuch sind die meisten Karten für die großen Gottesdienste noch immer nicht verteilt - rund 10.000 sind gar spurlos verschwunden. In Kirchenkreisen hat man den Verdacht, dass sie für Pilger abgezweigt wurden, obwohl die Papstmessen doch vor allem für die einheimischen Gläubigen da sein sollen.

Gleichzeitig fürchten die Kirchenverantwortlichen, dass die Gottesdienste halbleer bleiben könnten, weil viele Einheimische lieber zuhause vor dem Fernseher bleiben - wegen der gefürchteten Sicherheitschecks und stundenlangen Wartezeiten. Die 24 christlichen Oberstufenschülerinnen der vom deutschen Heilig Land-Verein getragenen Schmidtschule schreckt das nicht ab. Sie hoffen inständig, dass sie ihre Karten am Montag bekommen und mit Gruppen anderer christlicher Schulen den Papst im Josaphat-Tal begrüßen können: «Wir wollen ihm Danke sagen, dass er zu uns kommt», sagt die 16-jährige Nadine. «Das ist doch ein einmaliges Erlebnis, da wollen wir dabei sein.»