Jesiden fordern kulturelle Anerkennung in Deutschland

"Rassismus informiert bekämpfen"

Die Jesiden fordern zehn Jahre nach Mord und Vertreibung durch den "Islamischen Staat (IS)" eine Förderung ihrer Kultur in der Bundesrepublik. Dabei seien eine Gedenkstätte und die Vermittlung von jesidischer Kultur wichtige Schritte.

Autor/in:
Jens Bayer-Gimm
Jesiden protestieren in Bielefeld (epd)
Jesiden protestieren in Bielefeld / ( epd )

Der vom Deutschen Bundestag 2023 anerkannte Völkermord müsse seinen Ausdruck in Schulen, Universitäten und Erinnerungsorten finden, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Eziden in Deutschland, Irfan Ortac, in Lollar dem Evangelischen Pressedienst (epd). 

Irfan Ortac, stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Jesiden in Deutschland / © Jürgen Blume (epd)
Irfan Ortac, stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Jesiden in Deutschland / © Jürgen Blume ( epd )

Deutschland habe gegenüber den rund 250.000 hierzulande lebenden Jesiden eine Verantwortung, denn an den Mordtaten des IS hätten sich rund 1.400 deutsche Staatsangehörige beteiligt.

 Als "Teufelsanbeter" beschimpft auf Schulhöfen beschimpft

Auf Schulhöfen würden jesidische Kinder rund Jugendliche nach einem im Nahen Osten existierenden Vorurteil als "Teufelsanbeter" beschimpft, und Lehrkräfte griffen nicht ein, kritisierte Ortac. Dabei glaubten Jesiden als strenge Monotheisten nicht einmal an die Existenz des Bösen. 

"Man kann Rassismus nur bekämpfen, wenn man informiert ist", mahnte er. In Deutschland gebe es an keiner Hochschule die Möglichkeit, sich mit jesidischer Kultur, Religion und Genozidforschung zu befassen. Bildungseinrichtungen müssten über das Jesidentum informieren und gegen Diskriminierung vorgehen, betonte er.

Forderung nach einer Gedenkstätte in Deutschland

Ortac forderte als Konsequenz aus dem Beschluss des Bundestags eine Gedenkstätte in Deutschland. Jesiden brauchten einen Ort, an dem sie trauern, gedenken und sich ihrer selbst vergewissern könnten, sagte er. 

Der Haushaltsausschuss des Bundestages habe Ende 2023 Mittel für eine Gedenkstätte zugesagt, aber die Bundesregierung habe bisher außer befristeten Projekten nichts für eine dauerhafte Gedenkstätte unternommen.

Baba Sheikh, geistliches Oberhaupt der religiösen Gemeinschaft der Jesiden, bei einem Treffen mit Papst Franziskus am 8. Januar 2015 im Vatikan. / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Baba Sheikh, geistliches Oberhaupt der religiösen Gemeinschaft der Jesiden, bei einem Treffen mit Papst Franziskus am 8. Januar 2015 im Vatikan. / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( KNA )

Die Jesiden forderten das Recht und die Möglichkeit, in ihre Heimatregion Sindschar im Nordirak zurückkehren zu können, betonte Ortac. Knapp 200.000 Jesiden hausten als Flüchtlinge in Zelten, zumeist in der Autonomen Region Kurdistan. 

In Sindschar gebe es keine Sicherheit und keinen Wiederaufbau, acht verschiedene Milizengruppen herrschten dort. Der Irak zeige kein Interesse an der Herstellung des Rechts und an einem Wiederaufbau. Die Bundesregierung fördere einzelne Projekte im Irak, aber keine nachhaltige Entwicklung wie den Bau von Häusern.

Strafrechtlich Verfolgung für beteiligte Personen

Schließlich erwarteten die Jesiden, dass die internationale Gemeinschaft ihnen Gerechtigkeit verschaffe, sagte der Zentralratsvorsitzende. Alle am Völkermord beteiligten Personen sollten international strafrechtlich verfolgt werden. 

Bis heute seien die Hintergründe nicht untersucht worden. Es müsse juristisch aufgearbeitet werden, wer die Hinterleute des Völkermords waren und wer sie finanziert habe, forderte Ortac.

Am Samstag, 3. August, gedenkt der Zentralrat der Eziden in Deutschland in der Frankfurter Paulskirche des zehnten Jahrestags des Völkermordes. 

Erwartet werden als Redner unter anderen der Bundesbeauftragte für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe, der irakische Außenminister Fuad Hussein und der stellvertretende Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Fuldaer Bischof Michael Gerber. Teilnehmen wird auch der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Jesiden

Das Jesidentum ist eine monotheistische Religion, deren Wurzeln bis 2.000 Jahre vor Christus zurückreichen. Sie nahm Glaubenselemente, Riten und Gebräuche westiranischer und altmesopotamischer Religionen sowie von Juden, Christen und Muslimen auf. 

Jeside wird man ausschließlich durch Geburt, beide Elternteile müssen der Religionsgemeinschaft angehören. Niemand kann übertreten oder bekehrt werden. Bei Ehen mit Nicht-Jesiden verlieren Gläubige ihre Religionszugehörigkeit.

Irak, Lalish: Eine Frau entzündet ein Feuer im Shekadi-Schrein während der Feierlichkeiten des Sommer-Arbaeen-Eids / © Ismael Adnan (dpa)
Irak, Lalish: Eine Frau entzündet ein Feuer im Shekadi-Schrein während der Feierlichkeiten des Sommer-Arbaeen-Eids / © Ismael Adnan ( dpa )
Quelle:
epd