DOMRADIO.DE: Wie ist der aktuelle Stand?
Godehard Brüntrup (Jesuit und USA-Experte): Der aktuelle Stand ist super knapp, kann man sagen. Normalerweise erwartet man, dass bei den Midterm Elections, also bei den Zwischenwahlen, die amtierende Partei - also in dam Fall die Demokraten - Einbußen hinnimmt und die Opposition stärker wird. Das ist diesmal nicht so. Es bleibt weiterhin hauchdünn. Und das liegt wohl daran, dass auch die schlechten Wirtschaftsdaten, die hohe Inflation und die gestiegenen Energiekosten - all das, was eigentlich gegen Joe Biden spricht - niemanden bewegt in den Lagern.
Ein Kommentator hat es gesagt: Es ist momentan in Amerika wie im Ersten Weltkrieg. Jeder sitzt in seinem Schützengraben und es bewegt sich weder vor noch zurück. Man beschießt sich, aber keiner bewegt sich ein bisschen. Und genau so ist es auch im Wahlergebnis.
DOMRADIO.DE: Vorher war ja erstmal erwartet worden, dass die Republikaner Siegeszug hinlegen werden. Die Demokraten halten sich ganz gut. Kann sich Präsident Biden freuen?
Brüntrup: Ja, er kann sich auf jeden Fall freuen. Die Demokraten schneiden besser ab als erwartet. Aber es ist immer noch möglich, weil es eben so knapp ist, dass sie die Mehrheit in beiden Häusern verlieren. Das ist noch nicht ausgeschlossen. Und es ist sogar so knapp, zum Beispiel in Georgia, dass es da zu einem Run-Off kommen kann, also dass erst in einem Monat wieder neu entschieden wird. Dann haben wir ein endgültiges Ergebnis erst in einem Monat.
DOMRADIO.DE: Was würde es für Präsident Biden bedeuten, wenn er das Repräsentantenhaus verlieren würde?
Brüntrup: Es würde bedeuten, dass er keine sicheren Mehrheiten mehr hat im Parlament, dass er um Mehrheiten werben müsste, zum Beispiel wenn es um Geld geht für die Ukraine. Das ist in der amerikanischen Politik nichts Neues. Es kommt relativ häufig vor, dass der Präsident keine Mehrheiten hat. Er kann auch manche Sachen auf eigene Faust, einfach durch die eigene Entscheidung, über das Parlament hinweg entscheiden. Aber insgesamt wäre das eine deutliche Schwächung, wenn das passieren würde.
DOMRADIO.DE: Der frühere Präsident Donald Trump hat für kommende Woche schon eine große Mitteilung angekündigt. Kriegt er jetzt Rückenwind durch die Wahl?
Brüntrup: Seine Anhängerschaft ist ihm sehr treu geblieben, durch alle Skandale hindurch. Und es zeigt, dass sich diese Metapher, dass die beiden Lager in Schützengräben festsitzen, auch hier bewahrheitet. Trump könnte durchaus noch mal antreten, obwohl viele in der Republikanischen Partei das auch absolut nicht wollen.
DOMRADIO.DE: Wie geht es jetzt weiter?
Brüntrup: Im schlechtesten Falle wird sich das jetzt wochenlang hinziehen, bis wir wissen, wer die Mehrheit im Senat hat. Im günstigsten Falle haben wir in ein paar Stunden eine Entscheidung.
Das Interview führte Katharina Geiger.