Jesuit Brüntrup kritisiert mögliche zweite Biden-Amtszeit

"Ein Armutszeugnis" für die Politik

US-Präsident Biden will erneut als Präsidentschaftskandidat der Demokraten antreten. Jesuit und USA-Kenner Brüntrup schätzt Biden für seinen engagierten Glauben, hält das hohe Alter des Präsidenten aber für ein Problem.

Joe Biden / © Alex Brandon (dpa)
Joe Biden / © Alex Brandon ( dpa )

DOMRADIO.DE: Eine Umfrage des Nachrichtensenders NBC hat ergeben 70 Prozent der befragten Amerikanerinnen und Amerikaner sind gegen eine zweite Amtszeit des jetzigen US-Präsidenten Joe Biden. Oft wird sein Alter als Grund genannt. 80 Jahre ist er alt und schon jetzt ist er der älteste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Ist diese Altersbegründung in Ihren Augen gerechtfertigt?

 (privat)

Professor Dr. Godehard Brüntrup SJ (Jesuit, Philosoph und Professor an der Hochschule für Philosophie München): Ich halte sie für gerechtfertigt. Obwohl ich Biden persönlich sehr mag, sieht man doch deutlich, dass sein hohes Alter auch Folgen hat, nicht nur in der physischen, körperlichen Fitness, sondern auch in der geistigen Beweglichkeit, die ihn früher ausgezeichnet hat. In der katholischen Kirche soll man als Bischof mit 75 zurücktreten. Ich würde von daher auch bei Biden sagen, mit 80 sollte man eigentlich Jüngere ranlassen.

DOMRADIO.DE: Wir haben auf der Gegenseite den 76jährigen Donald Trump. Momentan sieht es so aus, dass zwei "alte, weiße Männer" für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika kandidieren. Wie kann das sein?

Professor Dr. Godehard Brüntrup (Jesuit & Philosoph)

"Dass jetzt die Republikanische Partei wieder tendenziell auf Trump zurückgreift und ein 80jähriger zu einem zweiten Mal antritt, ist schon ein Armutszeugnis für die gesamte politische Szene in den USA."

Brüntrup: Das ist die große Frage, die sich viele stellen. Kann das Land von dieser Größe nicht dynamischere Jüngere finden, wie die zwei von den beiden Parteien jeweils repräsentierten. Dass jetzt die Republikanische Partei wieder tendenziell auf Trump zurückgreift und ein 80jähriger zu einem zweiten Mal antritt, ist schon ein Armutszeugnis für die gesamte politische Szene in den USA.

DOMRADIO.DE: Gucken wir auf das Verhältnis zwischen Biden und der katholischen Kirche in den USA. Biden ist der zweite Katholik in dem Amt des Präsidenten. Und er ist auch engagiert katholisch?

Professor Dr. Godehard Brüntrup (Jesuit & Philosoph)

"Das kann ich aus eigenem Zeugnis bekunden, dass der Mann tief katholisch ist und dass ihm die Heilige Messe und die Sakramente und all diese Dinge sehr viel für sein eigenes Leben bedeuten."

Brüntrup: Er ist katholisch, und er ist sehr engagiert katholisch. Das kann ich aus eigenem Zeugnis bekunden, dass der Mann tief katholisch ist und dass ihm die Heilige Messe und die Sakramente und all diese Dinge sehr viel für sein eigenes Leben bedeuten.

DOMRADIO.DE: Biden ist sehr gläubig. Er versucht mit seinen christlichen Ansätzen das Land zu versöhnen. Reicht da sein Bemühen bisher aus?

Joe Biden und Godehard Brüntrup SJ / © Brüntrup (privat)
Joe Biden und Godehard Brüntrup SJ / © Brüntrup ( privat )

Brüntrup: Ich glaube, dass ihm das bisher nicht gelungen ist. Die Gräben sind einfach zu tief. Man kann fast sagen, das Land ist in zwei Nationen gespalten. Das Lager, was eher Trump und die Republikaner unterstützt und das liberale Lager, was die Demokraten unterstützt. Auch die katholische Kirche ist tief zerrissen in eine Fraktion, die vor allen Dingen in den Fragen der Ethik, Abtreibung und so weiter kompromisslos hart ist, eine traditionelle Kirche, die eher Papst Benedikt verehrt. Die andere Gruppe ist die, die eher Papst Franziskus verehrt und die eine vor allen Dingen sozial engagierte Kirche will und zum Beispiel Zugeständnisse macht in Fragen der Abtreibung. Joe Biden gehört ganz klar zu dieser letzteren liberalen, sozial engagierten Gruppe in der Kirche.

DOMRADIO.DE: Die römisch-katholischen Bischöfe in Amerika kritisieren an Biden zum Beispiel seine Haltung in der Abtreibungsfrage. In den Augen von Erzbischof José Gómez aus Los Angeles sorgt Biden damit für Verwirrung darüber, was die Kirche zu dieser Frage lehrt. Was müsste passieren, damit sich die katholischen Bischöfe und US-Präsident Biden auf einer Ebene begegnen könnten?

Brüntrup: Ich glaube, dass das in der Frage der Abtreibung ehrlich gesagt nicht möglich ist, weil Biden die Auffassung vertritt, dass dies allein eine Entscheidung der Frau ist, zu entscheiden, ob ein Kind geboren wird oder nicht.

Die katholische Kirche ist offensichtlich anderer Meinung, sodass hier eine Güterabwägung stattfindet zwischen zwei menschlichen Leben und die politische Meinung, die Biden vertreten muss, weil das die offizielle Linie seiner Partei ist. Sie ist mit der Lehre der katholischen Kirche nicht vereinbar. Dieser Konflikt wird einfach weiter bestehen.

DOMRADIO.DE: Mal angenommen, es würden die Republikaner und die Demokraten jeweils noch einen anderen Kandidaten oder Kandidatin präsentieren und die beiden würden sagen, die Kirche, der Glaube und Gott sind uns nicht wichtig. Welche Rolle würde die Kirche in Amerika dabei spielen?

Professor Dr. Godehard Brüntrup (Jesuit & Philosoph)

"Ein Präsidentschaftskandidat oder eine Präsidentschaftskandidatin, die sagen würden, mit Religion und Gott habe ich nichts am Hut, würde nicht gewählt. So weit sind wir noch nicht in Amerika."

Brüntrup: Ich glaube, dass, obwohl auch in Amerika die Säkularisierung vorangeht, ist Amerika immer noch ein christliches und religiöses Land. Ein Präsidentschaftskandidat oder eine Präsidentschaftskandidatin, die sagen würden, mit Religion und Gott habe ich nichts am Hut, würde nicht gewählt. So weit sind wir noch nicht in Amerika. Vielleicht schreitet die Säkularisierung dort auch voran, dass das in zehn oder 20 Jahren möglich ist. Aber im Moment wollen die Amerikaner religiöse Präsidenten und Präsidentinnen haben.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Godehard Brüntrup SJ

Godehard Brüntrup wuchs in Fulda auf, inzwischen lebt und arbeitet er seit etlichen Jahren in seiner Wahlheimat München, unterbrochen von vielen, oft langen Aufenthalten an verschiedenen Universitäten in den USA.

Nach seinem Abitur am Fuldaer Domgymnasium war er intensiv für die Katholische Studierenden Jugend (KSJ) 
tätig. Er studierte Philosophie und Theologie an den Universitäten in München, Frankfurt, Innsbruck, Bielefeld, Marburg und Berlin.

Godehard Brüntrup SJ ist ein deutscher Philosoph, Jesuit und USA-Experte. / © Pater Christof Wolf SJ
Godehard Brüntrup SJ ist ein deutscher Philosoph, Jesuit und USA-Experte. / © Pater Christof Wolf SJ
Quelle:
DR