Nachhaltige Prävention und positive Veränderungen könnten nur durch eine langfristige und grundlegende Aufarbeitung von Missbrauch erreicht werden, schreibt der Jesuitenpater Mertes in der Zeitschrift "Stimmen der Zeit" (September).
"Der Preis ist hoch, aber das ist kein Grund, ihn nicht zu zahlen"
Im Blick auf die 2010 am Berliner Canisius-Kolleg und anderen kirchlichen Schulen bekannt gewordenen Fälle sexuellen Missbrauchs betont Mertes, die jahrelange, dabei noch immer nicht abgeschlossene Aufarbeitung habe die betroffenen Institutionen positiv verändert. So sei vielerorts eine "Kultur der Achtsamkeit" entstanden.
Auch könne offener über Gefahren des Machtgefälles, etwa zwischen Lehrern und Schülern oder zwischen schwachen und starken Schülern, gesprochen werden.
Zugleich beschrieb Mertes, der als damaliger Leiter des Canisius-Kollegs eine zentrale Rolle bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle übernahm, negative Folgen für die Schulen. "Der Preis der Aufklärung von Missbrauch in Institutionen ist die Stigmatisierung der Institution. Der Preis ist hoch, aber das ist kein Grund, ihn nicht zu zahlen."
Fürsorgepflicht für die Angehörigen und Schutzbedürftigen
Mertes verwies darauf, dass dem Aufarbeitungswillen häufig auch Widerstand aus der Institution entgegenschlage. Dann könnten die eigentlichen Opfer aus dem Blick geraten und sich die Vertreter der Täterinstitution als Opfer einer unberechtigten Skandalisierung sehen.
Daher sprach sich der Jesuit dafür aus, bei der Aufarbeitung auch die Fürsorgepflicht für die Angehörigen und Schutzbedürftigen – etwa der betroffenen Schule – zu wahren.
Wichtig sei es zudem, so Mertes' Einschätzung, im Umgang und bei der Vorbeugung gegen Gewalt und Missbrauch auf die Hilfe von externen Fachleuten zu setzen. Experten könnten aber die Leiter der jeweiligen Institution nicht von deren Letztverantwortung entbinden.