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DOMRADIO.DE: Dies ist eine Synode wie keine andere. Die Menschen sitzen im Kreis, Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien zusammen. Wie sieht der Alltag in der Synodenaula aus?
James Martin SJ (Autor und Jesuit): Der Alltag in der Synodenaula ist recht angenehm. Letztes Jahr waren die Leute, glaube ich, etwas zurückhaltender, denn außer den Delegierten, die in Rom gearbeitet haben, kannten sich die wenigsten von uns untereinander. Aber am ersten Tag der Synode in diesem Jahr wurde viel umarmt und gelacht, als die Leute nicht nur die anderen Delegierten und nicht nur Brüder und Schwestern in Christus begrüßten, sondern echte Freunde.
DOMRADIO.DE: Viel betont wird im Moment der synodale Umgang miteinander. Wie erleben Sie denn diese Synodalität?
Martin: Bei der Synodalität geht es wirklich um tiefes Zuhören. Das mag jetzt etwas vage klingen, also lassen Sie mich etwas genauer werden. Es bedeutet, Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und Perspektiven aus der ganzen Welt zuzuhören - ohne sie zu unterbrechen -, um zu erfahren, wo der Heilige Geist in ihrem Leben wirkt. An meinem jetzigen Tisch sitze ich zum Beispiel zwischen jemandem aus Tansania und Fidschi. Ihre Länder und Kulturen und ihre Art, katholisch zu sein, sind natürlich sehr unterschiedlich. Ich muss sie also "dort abholen, wo sie sind", wie wir sagen. Und das beginnt mit dem Zuhören.
DOMRADIO.DE: Vergangenes Jahr bei der Synode ging ein Foto von Ihnen und Kardinal Gerhard Ludwig Müller vral. Zwei Menschen, die kirchenpolitisch sicher kaum weiter auseinander sein könnten. Können Sie uns die Geschichte dahinter erzählen - und hatten Sie beide in der Zwischenzeit Kontakt?
Martin: Letztes Jahr habe ich mich gefreut, Kardinal Müller zu treffen, dessen Schriften und Gelehrsamkeit ich bewundere, auch wenn wir nicht bei jedem Thema einer Meinung sind. Besonders inspiriert hat mich seine Arbeit mit Gustavo Gutierrez, dem Befreiungstheologen. Ich wusste, dass Kardinal Müller unter Pater Gutierrez gearbeitet und studiert hatte und auch einige Zeit in Peru tätig gewesen war. Wir unterhielten uns also, und ohne das Vertrauen zu brechen, möchte ich sagen, dass wir vereinbarten, Bücher auszutauschen. Er gab mir eines seiner Bücher, das mir sehr gut gefiel, und ich gab ihm mein Buch über Jesus. Ich hatte dieses Jahr noch keine Gelegenheit, ihn zu begrüßen, aber ich hoffe, dass ich das tun kann.
DOMRADIO.DE: Viele LGBTQ-Katholiken auf der ganzen Welt erwarten von Ihnen, dass Sie ihrer Stimme auf der Synode Gehör verschaffen. Wie fühlen Sie sich mit dieser Verantwortung?
Martin: Ich bin sicher nicht der einzige Delegierte, der sich um LGBTQ-Menschen kümmert. Viele Delegierte, vor allem diejenigen, die in Kirchengemeinden engagiert sind, haben Erfahrungen mit dieser Art von Arbeit gemacht. Und viele Bischöfe haben um Ratschläge für die Arbeit mit dieser Gemeinschaft gebeten. Ich empfinde das also nicht als Last. Gleichzeitig fühle ich mich dafür verantwortlich, die Stimmen der LGBTQ-Menschen während der Synode zu vertreten.
DOMRADIO.DE: Erwarten Sie konkrete Veränderungen im Umgang der Kirche mit Menschen, die eine andere sexuelle Identität haben?
Martin: Das ist eine gute Frage. Und ich kann sie auf zwei Arten beantworten. Wenn Sie mit „die Kirche“ die Synode meinen, müssen wir bedenken, dass die Frage der LGBTQ-Menschen von einer der „Studiengruppen“ untersucht wird, nicht von der Synode im Allgemeinen. Daher bezweifle ich, dass auf dieser Tagung irgendetwas Bemerkenswertes zu diesem Thema gesagt werden wird, vor allem weil wir uns mehr auf die Synodalität im Allgemeinen als auf ein bestimmtes Thema konzentrieren.
Aber wenn Sie mit "die Kirche" die gesamte Kirche meinen, habe ich bereits konkrete Veränderungen festgestellt. Die Veröffentlichung des Dokuments "Fiducia supplicans", das die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare unter bestimmten Umständen erlaubt, ist eine große Veränderung, die man vor 10 Jahren wohl kaum hätte vorhersagen können.
DOMRADIO.DE: Was erhoffen Sie sich am Ende des Monats? Viele Menschen sind enttäuscht, dass brisante Themen wie die Rolle der Frau von der Tagesordnung gestrichen und in diese externen Studiengruppen gegeben wurden.
Martin: Meine Hoffnung ist, dass die Synode konkrete Schritte vorschlägt, um den Heiligen Vater in seinem Wunsch zu unterstützen, die Kirche mehr zu einer „hörenden“ Kirche zu machen. Das heißt, ich hoffe, dass wir nicht nur die theologische Grundlage für die Synodalität anbieten, wie wir es in der Vergangenheit getan haben, sondern auch einige reale, praktische und sogar verpflichtende Schritte für die Pfarreien und Diözesen - d.h. für die ganze Kirche - auf dem Weg zu mehr und besserem Zuhören anbieten, was unweigerlich zu einer mitfühlenderen, einladenderen und letztlich treueren Kirche führen wird.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.