Jesuiten-Flüchtlingsdienst sieht in Transitzentren keine Lösung

"Das schafft nur neue Probleme"

Die deutschen Unionsparteien wollen Transitzentren an der Grenze zu Österreich einrichten, um in anderen EU-Staaten registrierte Asylbewerber von dort aus zurückzuschicken. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Berlin hat große Bedenken.

Transitzone an der ungarischen Grenze / © Sandor Ujvari (dpa)
Transitzone an der ungarischen Grenze / © Sandor Ujvari ( dpa )

DOMRADIO.DE: Bevor wir auf die konkreten Ergebnisse gucken. Wie beurteilen Sie denn den Verlauf des Asyl-Streits zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU, die ja auch einen christlichen Anspruch an sich, an Politikgestaltung und auch an Streitkultur haben?

Claus Pfuff (Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes in Berlin): Das Ganze sehe ich eher kritisch. Vor allem natürlich, wenn man sich anschaut, auf welchem Sprachniveau das Ganze gelaufen ist. Ich halte dieses Niveau für christliche Parteien äußerst bedenklich. Ich frage mich zudem auch, müssen sie einen solchen Streit vom Zaun zu brechen, wo die Flüchtlingszahlen gerade massiv zurückgegangen sind? Und ich wage zu bezweifeln, ob es wirklich um die Flüchtlinge und um Menschen geht, die aus unterschiedlichen Gründen auf der Flucht sind.

DOMRADIO.DE: Da sind wir bei einer ganz wichtigen Frage, denn auch der Wirtschaft in Deutschland geht es gerade gut. Es gibt ja kaum Arbeitslosigkeit. Was steckt dahinter, dass diese Flüchtlingsfrage die Regierungsparteien so gegeneinander aufbringt?

Pfuff: Das ist die große Frage. Letztendlich bräuchten wir ja junge Menschen in unserem Land. In einigen Branchen - wie der Pflege - werden händeringend Arbeitskräfte gesucht. Von daher ist es unverständlich, dass Menschen, die hier bereit sind zu arbeiten und die Ausbildung in diesem Bereich machen, auch nicht bleiben können. Ich weiß nicht genau, was hinter diesem Ganzen steckt. Ich habe mehr den Eindruck, dass die Debatte mit der anstehenden Wahl in Bayern zu tun hat und dass andere Probleme nicht angegangen werden wollen.

DOMRADIO.DE: Jedenfalls sollen jetzt sogenannte "Transitzentren" in Deutschland kommen, aus denen heraus registrierte Asylbewerber nach kurzem Aufenthalt in die zuständigen EU-Länder abgeschoben werden sollen. Halten Sie das für einen angemessenen Umgang mit Menschen, die nach Deutschland kommen?

Pfuff: Die Schwierigkeit ist natürlich, dass die Menschen in anderen Ländern registriert sind. Sie haben aber gar keine Chance aus diesen Ländern letztendlich anders zu uns zu kommen. Wenn sie in Griechenland, in Italien oder Spanien landen, werden sie dort registriert und können ihren Antrag stellen. Dort gibt es das Verfahren. Aber wenn Sie sich zum Beispiel Bilder von den Lagern auf Lesbos anschauen, merken Sie schon, dass es unheimlich schwierig ist, dann von dort aus nach Deutschland zu kommen. Die andere Frage ist natürlich, ob in den Ländern die Verfahren gerecht laufen und ob nicht hier noch mal drauf geschaut werden kann.

DOMRADIO.DE: Unter dem Strich spricht mehr dafür oder dagegen?

Pfuff: Die Größe der Transitzentren ist schwer zu beurteilen. Es werden aber vermutlich viele Menschen zusammenkommen, die schnell wieder abgeschoben werden, Menschen die lange Zeit dort sind. Und gerade diese Vielfalt schafft natürlich neue Probleme.

DOMRADIO.DE: Falls es jetzt entsprechende Abkommen gibt, sollen die Migranten in das Land zurückgebracht werden, indem sie registriert wurden. Also in das Land, das nach EU-Regeln für das Asylverfahren zuständig ist. Ist das nicht richtig, dass jetzt wieder EU-Recht angewendet wird?

Pfuff: Dass EU-Recht angewandt wird, das ist gut. Letztlich muss man darauf drängen, dass es gemeinsame Standards bei der Behandlung von Flüchtlingen, bei der ganzen Registrierung und der Erstaufnahme gibt.

Das andere ist die Frage bei den Ländern, mit denen es keine Verträge gibt. Wie ist es dann da? Wenn jetzt Asylbewerber direkt an der Grenze abgewiesen werden sollen, braucht es auch eine Vereinbarung mit Österreich. Offen ist aber, ob Österreich für ein derartiges Abkommen zu haben ist.

DOMRADIO.DE: Es heißt ja immer wieder, das Flüchtlingsthema hat die AfD groß gemacht. Sehen Sie denn jetzt in den Beschlüssen der Union die Chance, die Rechtspopulisten in die Defensive zu bringen?

Pfuff: Letzte Woche sagte jemand, wieso soll ich das Plagiat wählen, wenn ich das Original haben kann? Und das ist halt die Frage, ob die Rechnung dann aufgeht, dass dieses Thema wirklich ein bestimmendes Wahlkampfthema ist oder ein Thema, das angegangen werden muss. Meiner Ansicht nach wäre es sinnvoller, den Leuten einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Was wäre dabei, wenn Menschen dann gut ausgebildet in ihre Heimatländer zurückkehren, dort dann die Heimat und die dortige Wirtschaft aufbauen und uns in der Zwischenzeit hier auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Pater Claus Pfuff SJ / © Christian Ender (JRS)
Pater Claus Pfuff SJ / © Christian Ender ( JRS )
Quelle:
DR