Jesuitenpater über die Papst-Äußerung zu Missbrauchs-Fällen in Chile

"Ein bemerkenswertes Zeichen"

Während der Chile-Reise des Papstes im Januar hatte er eine Debatte um Missbrauch als "Verleumdungen" bezeichnet. Nun bittet der Papst um Verzeihung. Jesuitenpater Hans Zollner findet die Entschuldigung bemerkenswert.

Papst mit chilenischen Bischöfen / © Paul Haring (KNA)
Papst mit chilenischen Bischöfen / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Bei dem Missbrauchsfall ging es um den Fall des Priesterausbilders Fernando Karadima, dessen Taten womöglich von Bischöfen gedeckt wurden. Franziskus kritisiert, er sei nicht genügend, wahrheitsgemäß und ausgewogen informiert worden. Daher habe er sich ein falsches Bild der Situation gemacht, so erklärt es der Papst. Wie konnte es dazu kommen?

Pater Hans Zollner (Leiter Centre for Child Protection im Vatikan): Er hat sicherlich Leute um sich herum gehabt und gefragt, wenn es um die Situation in Chile ging, die ihn offensichtlich – wie er sagt – nicht genügend gut informiert haben und nicht faktengemäß. Interessant ist, dass das auch dem Tenor eines Tweets von drei Opfern dieses Karadima-Kreises entspricht, die auch die schweren Fehler der chilenischen Bischöfe dafür verantwortlich machen, wie die Situation in Chile ist. Die Opfer haben die Entschuldigung des Papstes anerkennen und überlegen, ein Gesprächsangebot von ihm zu bedenken.

DOMRADIO.DE: Es gibt nun auf der einen Seite diesen sehr klaren Entschuldigungsbrief des Papstes, auf der anderen Seite aber auch eine Einladung an die chilenischen Bischöfe nach Rom zu kommen. Wie sehen Sie diese beiden Gesten als innerkirchliches Zeichen des Papstes?

Zollner: Für mich ist festzuhalten, dass der Papst in einer sehr demütigen, ernsthaften und offenen Weise sich persönlich entschuldigt. Das sieht man nicht so oft von Leuten in solchen Positionen. Er sagt: Ich habe mich geirrt und ich bitte um Entschuldigung. Das finde ich schon sehr bemerkenswert und ich bin sehr froh darum.

Er macht außerdem klar, dass es ihm nicht um eine schnelle Entscheidung geht, sondern er will den Sachen bewusst auf den Grund gehen. Deshalb lädt er 32 Bischöfe nach Rom ein. Er zeigt: Ich möchte ernsthaft informiert werden. Ich möchte mit Euch diskutieren. Ich möchte mit Euch darüber nachdenken, was da eigentlich alles in den letzten 30 bis 40 Jahren schief gelaufen ist. Und ich möchte dann mit Euch Entscheidungen treffen, wie es heute und morgen weitergehen soll. Auch das finde ich äußerst gut und nachvollziehenswert, weil es nicht darum geht, jetzt irgendeinen Schnellschuss zu setzen, sondern er erkennt an, dass die Wahrheit breiter ist und anders ist, als er bisher gedacht hat. Er möchte sich mit den Bischöfen ernsthaft darüber unterhalten, welche Konsequenzen zu ziehen sind.

DOMRADIO.DE: Glauben Sie denn, dass es da mittelfristig praktische Maßnahmen geben wird?

Zollner: Davon bin ich überzeugt. Die Hierarchie und die Zusammensetzung der chilenischen Bischofskonferenz wird sich sowieso ändern, weil etwa der Erzbischof von Santiago de Chile an die Altersgrenze gekommen ist und auch schon seinen Rücktritt eingereicht hat. In den nächsten Jahren wird sich da Dramatisches ändern, weil eine ganze Reihe von Bischöfen an die Altersgrenze kommt und da Neue nachrücken werden.

Das Interview führte Christoph Paul Hartmann.


Hans Zollner / © Romano Siciliani (KNA)
Hans Zollner / © Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR