DOMRADIO.DE: Wie wird man zum Jesus-Darsteller?
Angelo Caputo (Jesus-Darsteller bei der Italienischen Katholischen Mission in Köln Kalk): Ich habe damals als Erstkommunionkind als Apostel angefangen. Für das folgende Jahr wurde dann ein neuer Darsteller für Jesus gebraucht. Im Spaß sagte ich, das könnte ich ja dann machen. Hochgearbeitet vom Apostel zum Jesus, wenn man so will.
DOMRADIO.DE: Sie sitzen mir gegenüber und haben einen Bart. Ist er immer da oder ist er für heute?
Caputo: Der Bart ist immer da, aber viel kürzer. Ansonsten habe ich einen Drei-Tage-Bart und keinen Drei-Monate-Bart.
DOMRADIO.DE: In diesem Jahr machen Sie das schon zum siebten Mal. Wie läuft das am Karfreitag ab? Ist es tatsächlich ein Theater, das man sich auf der Straße anschauen kann?
Caputo: Wir bereiten uns während der Fastenzeit darauf vor. Die Stationen entlang des Weges werden in Köln-Kalk aufgebaut. Wir fangen vor der St. Josef-Kirche an und dann geht's von Station zu Station. Für jede Station gibt es die jeweilige Geschichte mit den Dialogen. Dazu werden passende Requisiten und Leinwände aufgebaut. Das Theater endet dann da, wo früher das alte Polizeipräsidium war, mit der Kreuzigung. Von dort aus geht es in die Kirche, wo anschließend ein Gottesdienst stattfindet.
DOMRADIO.DE: Wie stellen Sie das denn dar? Ziehen Sie wirklich ein Kreuz hoch?
Caputo: Ja, es wird wirklich ein Kreuz hochgezogen. Wir haben keine Nägel – das zum Glück nicht. Aber ich schleppe wirklich ein Kreuz mit bis zur Kreuzigung. Dort wird das Kreuz auf dem Boden aufgebaut, auf dem ich stehen kann. Die Arme werden angebunden und so hänge bzw. stehe ich dann am Kreuz.
DOMRADIO.DE: Heute ist es draußen sehr warm. Es gibt aber auch Jahre, in denen es an Ostern noch kalt ist. Auch da haben Sie schon Jesus dargestellt. Haben die Leute am Prozessionsweg Daunenjacken an und Sie stehen im Hemd da?
Caputo: Das wäre schön – ich habe nur das Tuch um meine Hüfte. In der Kirche wird es nur aufgeführt, wenn es regnet. Ansonsten machen wir es auch bei kälteren Temperaturen draußen. Der Ort draußen ist, auch wenn es frisch ist, viel schöner als in der Kirche.
DOMRADIO.DE: Was passiert dann, wenn Sie durchgefroren in die Kirche kommen?
Caputo: ... dann kommt die Mama mit warmem Tee.
DOMRADIO.DE: Ist das Ganze denn über das Beten und den Kreuzweg hinaus für die Italiener auch ein großes Familientreffen?
Caputo: Ja, das ist so, während der Proben schon. Während des Theaterstücks selbst dann für die Zuschauer, weil wir selbst so konzentriert sind auf unsere Rollen, dass wir das gar nicht mitbekommen. Aber auch nach dem Gottesdienst versammeln wir uns wieder vor der Kirche und unterhalten uns. Bis alle nach Hause gehen, vergeht bestimmt noch einmal eine Dreiviertelstunde.
DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, Sie bereiten sich mit Beginn der Fastenzeit vor. Sie üben das und haben eine Generalprobe. Wenn Sie sich damit so intensiv beschäftigen und diese Worte, die Jesus gesagt hat, sprechen: "Warum hast du mich verlassen?", es also durchleben – hat sich dadurch für Sie etwas verändert? Nehmen Sie diese Geschichte anders wahr, als wenn Sie sie nur oft lesen?
Caputo: Ja, auf jeden Fall. Vor allem gibt es auch einen sehr großen Unterschied zwischen den Proben und dem Tag selbst. Bei den Proben kann noch einiges schief gehen. An Karfreitag selbst, wenn man seine Rolle spielt und weiß, jetzt ist es so weit, versetzt man sich da hinein. Das ist ein Gefühl in einem ... ich selbst verspüre Gänsehaut!
Man kann natürlich nicht sagen, ich fühle jetzt genau das, was damals war. Aber man kann schon ein bisschen nachempfinden, was das für Qualen waren. Darüber macht man sich gar keine Gedanken, bis es so weit ist.
DOMRADIO.DE: Welches Verhältnis haben Sie zu dem Menschen, der in Ihrem Passionsspiel den Judas spielt?
Caputo: Den kenne ich, seitdem ich dabei bin. Wir sind eigentlich alle sehr familiär und vertraut miteinander. Für mich persönlich, im privaten Umfeld ist das kein Judas, sondern ein Freund. Das kann man auseinanderhalten.
DOMRADIO.DE: Ihre Freundin spielt in diesem Jahr die Maria Magdalena, oder?
Caputo: Ja, sie macht das jetzt zum ersten Mal.
DOMRADIO.DE: Sie machen sich gleich auf in den Kölner Stadtteil Kalk, wo um 17 Uhr die Karfreitagsprozession der Italienischen Katholischen Mission beginnt. Was müssen Sie jetzt noch machen?
Caputo: Ich muss mich vorbereiten: Ich muss meine Tattoos abdecken, Ohrringe und Piercings herausnehmen und mich dann mit Kunstblut bemalen lassen. Das muss trocknen, bevor ich dann mein Gewand anziehe.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.