DOMRADIO.DE: Man hört, dass die Intensivbetten langsam knapp werden. Wie ist denn die Lage bei Ihnen im Krankenhaus? Machen Sie sich Sorgen?
Prof. Dr. Dietmar Pennig (Ärztlicher Direktor des St. Vinzenz-Hospitals in Köln): Wir haben mit Beginn der Pandemie auf Drängen und unterstützt durch das Gesundheitsministerium die Intensivkapazität aufgestockt, wie andere Häuser auch. Das ist aber nicht damit erledigt, dass man nur neue Betten und Beatmungsgeräte aufstellt, sondern man braucht auch die entsprechend hinterlegten Dienstpläne für die Mitarbeiter, die diese Betten dann betreuen.
All das haben wir in der Erwartung getan, dass durchaus eine zweite Welle kommen kann. Und wir sind froh, dass wir diese Ersatzbetten jetzt haben. Die andere Möglichkeit, die man immer im Auge behalten muss, ist, dass man elektive Eingriffe (d. Red. zeitlich verschiebbare Eingriffe/Operationen) so strukturiert, dass sie die Bettenkapazität nicht belasten, sodass wir jederzeit auf einen Ausschlag, also eine erhöhte Inanspruchnahme der Intensivbetten durch Covid-19-Fälle reagieren können.
DOMRADIO.DE: Das heißt, es ist so ähnlich wie im Frühjahr, als in vielen Krankenhäusern geplante Operationen abgesagt wurden, die nicht sofort durchgeführt werden mussten. Kommen wir wieder an diesen Punkt?
Pennig: Genau so ist es. Das zeigt auch die Umfrage, die wir deutschlandweit unter unseren Kollegen gemacht haben. Für den Akut-Bereich, also akute Herzinfarkte, Unfälle, Gefäßverschlüsse, all diese Dinge ist die Versorgung in der Fläche absolut gesichert. Der elektive Bereich wird bundesweit zurückgenommen, um die Intensivkapazität zu schonen.
DOMRADIO.DE: Heute beraten ja Bund und Länder über eine Verschärfung der Maßnahmen. Haben Sie denn in Ihrer Klinik den Eindruck, dass sich die Lage nach dem Beginn des "Lockdown light" Anfang November verbessert hat?
Pennig: Nicht wirklich. Wir merken, dass wir eine ständige Zunahme auf der Isolierstation haben, da, wo diese Patienten hingehen. Das sind ja spezielle Einrichtungen, die mit entsprechenden Schleusen ausgerüstet sind, um Patienten, aber auch das Personal zu schützen – und das ganze Geschehen aus dem Rest des Krankenhauses herauszuhalten. Denn die anderen Patienten sollen davon ja möglichst gar nichts mitkriegen. Diese Inanspruchnahme ist unverändert hoch.
Wir haben auch ein anderes Geschehen. Es sind nun mehr jüngere Leute, die arbeiten, die asymptomatisch sind, aber an ihre Arbeitsplätze die Infektion tragen. Das ist eine völlig andere Qualität als im März, April, Mai, wo wir genau wussten, wo unsere Probleme sind, nämlich in den Seniorenwohnheimen und bei Menschen, die in Flüchtlingsheimen wohnen. Da konnte man sagen: Da müssen wir besonders aufpassen. Das gilt jetzt nicht mehr. Jetzt kann es aus jeder Richtung kommen.
DOMRADIO.DE: Sie sind ja nicht nur Ärztlicher Direktor, sondern auch Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie. Es ist ja auch ein Böllerverbot für Silvester im Gespräch. Als Grund wird da häufig genannt, dass die Krankenhäuser sowieso schon genug zu tun haben. Wie sehen Sie das?
Pennig: Also grundsätzlich sind wir für jede Entlastung dankbar, das muss man ehrlich sagen. Nach diesen Monaten, in denen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grenzwertigst gefordert worden sind, wäre eine Zeit des Innehaltens – und das ist ja typischerweise die Zeit um Weihnachten und auch an Silvester – für uns sehr wünschenswert.
Wir sind natürlich für alles vorbereitet. Denn wenn wir ein Böllerverbot in Deutschland aussprechen, das wäre ja ein Verkaufsverbot, dann wird das dazu führen, dass die Menschen, die es unbedingt machen wollen, sich diese Böller im Internet besorgen. Sie sind dann nicht CE-zertifiziert. Oder die Menschen stellen sich die Böller sogar selber her. Das sind katastrophale Unfallgeschehen, die man da erlebt.
Das muss man sich also genau überlegen, ob man auf die Menschen zugeht und an die Vernunft und an die Einsicht appelliert. Es kann ja jederzeit einen Familienangehörigen treffen, der eine ärztliche Behandlung braucht im Krankenhaus. Für diesen Fall will man ja die Kapazitäten geschont und geschützt haben. Und das wäre an Silvester durch ein zurückhaltendes Feiern der Bevölkerung zu erreichen, möglichst ohne Unfälle, die uns zusätzlich noch beanspruchen.
Das Interview führte Heike Sicconi.