Joachim Gauck blickt differenziert auf Nahostkonflikt

"Zwei-Staaten-Lösung nicht aufgeben"

Pro-palästinensische Unterstützung muss laut Joachim Gauck nicht zugleich antisemitisch sein. Er erklärte der Mediengruppe Bayern, dass ein Post wie "Pray for Gaza" oder das Tragen eines Palästinenserschals nicht antisemitisch seien.

Joachim Gauck, ehemaliger deutscher Bundespräsident / © Heiner Beisert (KNA)
Joachim Gauck, ehemaliger deutscher Bundespräsident / © Heiner Beisert ( KNA )

Im Interveriew am Freitag sagte er: "Man darf Mitleid mit den Opfern haben, dafür steht 'Pray for Gaza'. Und mit welcher Begründung wollen wir jetzt das Tragen eines Palästinenser-Tuches verbieten? Das geht nicht. Wir müssen dort wachsam sein, wo es sich um Menschenfeindlichkeit handelt, um Gewalt oder Volksverhetzung."

Gauck forderte, dass ein "Auslöschungsnarrativ" gegenüber Israel bekämpft werden müsse. "Wir dürfen aber auch nicht aufhören, über eine Zwei-Staaten-Lösung nachzudenken, obwohl es sich derzeit nicht durchsetzen lässt." Das frühere Staatsoberhaupt wandte sich zudem gegen "falsch verstandene politische Korrektheit". Offenkundige Fehlhaltungen oder Gesetzesmissachtungen dürften nicht verschwiegen werden. In diesem Kontext sagte Gauck: "Den Zusammenhang zwischen muslimischer Einwanderung und Antisemitismus gibt es schon viel länger und nicht nur in Deutschland.

Aber es wurde zu lange ignoriert, dass es auch diesen eingewanderten Antisemitismus gibt. Eine Prägung, die häufig in den Familien fortdauert und von Verbänden und Moscheegemeinden zum Teil gefördert oder zumindest geduldet wird. Antisemitismus gehört in vielen arabischen Milieus leider zum Selbstverständnis."

Pro-Palästina Kundgebung in Berlin / © Paul Zinken (dpa)
Pro-Palästina Kundgebung in Berlin / © Paul Zinken ( dpa )

Deutschland habe Defizit an strategischem Bewusstsein 

Gauck bescheinigte Deutschland "ein Defizit an strategischem Bewusstsein". Er forderte: "Wir sollten neue Lehrstühle für strategisches Denken begründen. Zu viele in Deutschland leben in dem beruhigenden Gefühl, wir seien die Guten. Also setzten wir uns nicht mehr mit den harten Entscheidungen in brutalen Konflikten auseinander."

Gauck betonte: "Als ein älterer Deutscher, der weiß, was Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit und Kriegslust anrichten, kann ich natürlich Friedensliebe nur begrüßen.

Aber eine Friedensliebe, die blind macht, ist kein Geschenk an die Gesellschaft. Deshalb brauchen wir eine Verbindung unserer friedfertigen Gesinnung mit der klaren Absicht und Fähigkeit, das Recht, das Völkerrecht zu verteidigen."

Quelle:
KNA