Journalist erklärt Schisma-Anklage gegen Erzbischof Viganò

"Jetzt ist Schluss mit lustig"

Die vatikanische Glaubensbehörde hat den italienischen Erzbischof und früheren US-Papstbotschafter Carlo Maria Viganò vorgeladen und klagt ihn des Schismas an. Der Journalist und USA-Experte Klaus Prömpers mit einer Einordnung.

Erzbischof Carlo Maria Vigano / © Gregory A. Shemitz (KNA)
Erzbischof Carlo Maria Vigano / © Gregory A. Shemitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie konnte es so weit kommen? War Carlo Maria Viganò immer schon so papstkritisch, auch zum Beispiel beim Vorgänger-Papst schon? 

Klaus Prömpers / © Tobias Fricke (DR)
Klaus Prömpers / © Tobias Fricke ( DR )

Klaus Prömpers (Journalist und USA-Experte): Bei Papst Benedikt XVI. war er bedingt kritisch, weil er Briefe an ihn gerichtet hat, unter anderem vorwerfend, dass es Korruption, Missbrauch und Homosexualität im Vatikan gebe. Das wurde nicht erhört. Ganz im Gegenteil. 

Er war nur zwei Jahre lang der Generalsekretär des Governatorats im Vatikan. Normalerweise ist ein solcher Generalsekretärsposten für zehn Jahre besetzt. Dann wurde er von Benedikt als Nuntius in die USA versetzt und trieb von dort dann, insbesondere als Papst Franziskus gewählt worden war, sein "Unwesen" weiter und erklärte, Papst Franziskus beispielsweise sei ein "Diener des Teufels", so wörtlich. 

DOMRADIO.DE: Wie konnte es denn so weit kommen? Welche Kirche will Viganò denn? 

Prömpers: Er will im Grunde eine Kirche, die vor die Zeit von Martin Luther zurückgeht. Er hat mittlerweile eine Organisation gegründet, "Exsurge Domine" – "Erhebe dich, Herr". Das bezieht sich auf die Papstbulle von Leo X., die Bannandrohung gegen Martin Luther 1520. 

Daraus kann man erkennen, dass er eine Kirche mit lateinischem Ritus im Gottesdienst will, mit ganz festen, ganz klaren Glaubensvoraussetzungen und nicht all dieses, wie er sagen würde, modernistische Zeug. Er sagt dies auf "Facebook", auf "X" (ehemals Twitter), auf "YouTube". Er hat dort allerdings überall verhältnismäßig wenig Follower, auf "X" beispielsweise 53.400. Papst Franziskus hat dort 680.400 (allein auf seinem deutschsprachigen Account, d. Red.). 

DOMRADIO.DE: Hat er denn in den USA Anhänger oder steht er mit seiner Reformkritik eher alleine da? 

Prömpers: Er hat natürlich Anhänger wie Kardinal Leo Burke, der ja ein Amerikaner ist und ihn unterstützt. Aber auch in Europa hat er Anhänger wie beispielsweise Kardinal Gerhard Ludwig Müller, den früheren Chef der Glaubensbehörde des Vatikans. 

Er hat konservative Anhänger in Polen, in Italien, in Frankreich und überall auf der Welt. Deswegen will er beispielsweise demnächst in Italien ein Priesterseminar gründen, das sehr nahe bei den Piusbrüdern anzusiedeln ist. 

Das dürfte jetzt der berühmte Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte, dass der Vatikan ihn nun mit diesem Prozess wegen Schisma, wegen der Verdrehung der Fakten um das Zweite Vatikanische Konzil und anderer Vorwürfe konfrontiert. 

Klaus Prömpers

"Ich schätze, dass er dann seines erzbischöflichen Amtes und wahrscheinlich sogar seines priesterlichen Amtes beraubt werden wird."

DOMRADIO.DE: Wer hat den Prozess ins Rollen gebracht? 

Prömpers: Ausgerechnet die Glaubensbehörde, die jetzt unter der Leitung von Kardinal Fernandez steht. Der hat den Brief geschrieben. Der erreichte Viganò offensichtlich, so schreibt er es auf seinem "X"-Account, per E-Mail. Er hätte demnach gestern um 15:30 Uhr in Rom entweder selbst vorsprechen oder sich vertreten lassen sollen.

Der Prozess ist bis zum 28. Juni terminiert. Dann wird ein Urteil ergehen. Ich schätze, dass er dann seines erzbischöflichen Amtes und wahrscheinlich sogar seines priesterlichen Amtes beraubt werden wird.

Klaus Prömpers

"Er lehnt all das ab, was im Moment in der Kirche läuft."

DOMRADIO.DE: Der Vatikan beschuldigt Viganò des Schismas, also der Kirchenspaltung. Ist das berechtigt? 

Prömpers: Ja, auf jeden Fall. Wenn er beispielsweise in seiner Antwort auf die Vorwürfe, die aus dem Vatikan gekommen sind, noch einmal das Zweite Vatikanum als "ideologischen, theologischen, moralischen und liturgischen Krebs" bezeichnet, dessen "nötige Metastasen nun die synodale Kirche von Bergoglio" sei, also Papst Franziskus, zeigt das eindeutig, dass er all das ablehnt, was im Moment in der Kirche läuft. 

Er möchte zurück in eine Zeit von vor mindestens 200 Jahren. Er möchte eine Kirche bewahren, die sich dann beispielsweise nicht um den Missbrauch kümmert und die sich nicht um die Armen kümmert, so wie es Papst Franziskus fordert und viele andere denken. 

DOMRADIO.DE: Es heißt, Viganò selbst habe sich noch einmal extra weihen lassen, weil er sowieso die Bischofsweihe vonseiten der "Konzilskirche" her als nicht gültig betrachtet hat. Wie kann man sich das vorstellen? 

Prömpers: Er pflegt einen sehr engen Kontakt zu dem früheren Bischof Richard Williamson, der früher in der Piusbruderschaft war. An ihm scheiterte Papst Benedikt, als er die Piusbruderschaft wieder in den Schoß der Kirche zurückholen wollte, weil ihm antisemitische Äußerungen nachgewiesen werden konnten und andere Dinge. Deswegen kam es damals nicht zu einer Annäherung. 

Das ist einer der Menschen, denen sich Viganò mittlerweile sehr stark angenähert hat und in dessen Umfeld er nun agiert. In dem Umfeld will er offensichtlich wieder auch das Priesterseminar in Viterbo in näherer Zukunft gründen, für richtige Priester, wie er sagt, für wahrhafte Priester, was immer er darunter auch verstehen mag. 

Das ist wahrscheinlich für den Vatikan der Anlass gewesen, zu sagen: Jetzt ist Schluss mit lustig, jetzt kannst du hier nicht mehr mitspielen. Du kannst uns zwar vom Spielfeldrand weiter beschimpfen, aber nicht mehr mit der Autorität eines Erzbischofs oder eines Priesters. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

Hintergrund: Schisma

Ein Schisma bezeichnet im römisch-katholischen Kirchenrecht die Aufkündigung der Kirchengemeinschaft mit dem Papst oder einem Ortsbischof durch einen Einzelnen oder eine Gruppe. Übersetzt bedeutet der aus dem Griechischen stammende Begriff "Spaltung". Im Unterschied zu anderen Vergehen gegen "Glaube und Einheit der Kirche" wie Irrlehre, Irrglaube und Glaubensabfall steht beim Schisma der rechtliche Aspekt im Vordergrund. Ein Schismatiker zieht sich durch seine unerlaubte Tat die Exkommunikation zu, den Ausschluss aus der aktiven kirchlichen Gemeinschaft.

Ein weißer Pileolus / © Stefano dal Pozzolo/Agenzia Romano Siciliani (KNA)
Ein weißer Pileolus / © Stefano dal Pozzolo/Agenzia Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR