KNA: Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen des Synodalen Wegs? Daumen hoch oder runter?
Melanie Giering (Junge Synodale aus Hamburg): Daumen in der Mitte. Ich bin einerseits zufrieden, dass wir in der letzten Versammlung viele Texte verabschiedet haben.
Andererseits stört mich, dass es sich nur um Kompromisse handelt und die Texte nicht so super weltbewegende Dinge beinhalten und keine echten Veränderungen bewirken.
KNA: Was hätten Sie sich gewünscht?
Giering: Ich hätte mir nicht nur Signale gewünscht nach dem Motto: Die Deutsche Bischofskonferenz gibt ein Votum nach Rom und setzt sich für Veränderungen ein. Stattdessen wären echte Reformen schön gewesen. Allerdings war mir von vornherein bewusst, dass ich Themen für am wichtigsten halte, die wir nicht nur in Deutschland beschließen können - also zum Beispiel die Ehe für alle und das Priesteramt für Frauen.
KNA: Wie zuversichtlich sind Sie, dass aus diesen "Signalen" doch noch echte Reformen werden?
Giering: Wenn ich mir die Geschichte so anschaue, dann bin ich nur mäßig zuversichtlich. Viele Dinge, die wir jetzt besprochen haben, waren auch schon bei der Würzburger Synode vor 50 Jahren Thema. Und trotzdem hat sich seitdem nicht viel verändert. Das ist natürlich schon bitter. Allerdings habe ich den Eindruck, dass viele deutsche Bischöfe mittlerweile ungeduldiger geworden sind und sich mehr für Reformen einsetzen.
KNA: Wie haben Sie denn die Gesprächskultur beim Synodalen Weg erlebt?
Giering: Aus meiner Sicht war das eine offene und größtenteils auch faire Gesprächskultur. Vor der letzten Versammlung haben ja einige konservative Synodale ihr Mandat niedergelegt. Das habe ich als wohltuend für die Gesprächskultur empfunden.
KNA: Aber bedeutet gute Gesprächskultur nicht auch, dass man mit allen ins Gespräch kommt?
Giering: Ja, schon. Aber es gibt auch Grenzen. Diskriminierende Aussagen zum Beispiel gehören für mich nicht zu einer fairen Gesprächskultur.
KNA: Haben Sie als Reformerin denn trotzdem auch mit konservativen Synodalen gesprochen?
Giering: Ja. Ich habe mich am Rande der Versammlungen zum Beispiel mit einigen Bischöfen unterhalten, von denen ich weiß, dass sie nicht allen Texten zugestimmt haben. Diese Gespräche habe ich als sehr offen empfunden. Diese Bischöfe hatten auf jeden Fall Interesse, meine Meinung und meine Beweggründe zu hören.
KNA: Wie muss es aus Ihrer Sicht jetzt weitergehen?
Giering: Ich setze sehr große Hoffnung auf den Synodalen Ausschuss, der die Arbeit des Synodalen Wegs weiterführen soll. Ich finde es wichtig, dass die Dinge, die wir beschlossen haben, nun auch in den Bistümern umgesetzt werden. Dazu ist es gut, ein solches Gremium zu haben, dass da ein Auge drauf hat und für eine gewisse Verbindlichkeit sorgt.
KNA: Die Mitgliederzahlen der katholischen Kirche in Deutschland sind seit Jahren rückläufig. Sehen Sie überhaupt eine Zukunft der Kirche hierzulande?
Giering: Die Kirchenaustritte kann niemand mehr stoppen - egal welche Reformen kommen. Wir werden in Zukunft eine deutlich kleinere Gruppe von Katholikinnen und Katholiken in Deutschland sein. Aber das entbindet uns ja nicht von der Verantwortung, uns weiterzuentwickeln. Auch die wenigen Mitglieder müssen sich in Zukunft in der Kirche wohlfühlen, und die Kirche muss ein Ort des Miteinanders bleiben.
KNA: Warum sollten junge Menschen heute noch Kirchenmitglied bleiben oder werden?
Giering: Ich sage jungen Menschen immer, dass sie weniger auf die Amtskirche in Rom schauen sollen, sondern eher auf die Gemeinden, Gruppen und Verbände, die wirklich bei den Menschen sind und in denen man selbst mitgestalten kann. Wenn ich die Signale aus Rom betrachte, fühle ich mich oft macht- und hoffnungslos. Wenn ich aber in die eigene Gemeinde schaue und sehe, was da alles Tolles läuft, was da für großartige Menschen sind und was für einen offenen, fairen und diskriminierungsfreien Raum es dort gibt, dann macht mir das Mut. Auf dieser Ebene sind viele Reformen, über die wir beim Synodalen Weg diskutiert haben, längst schon umgesetzt.
Das Interview führte Michael Althaus.