DOMRADIO.DE: Der Synodale Weg in Deutschland hat mit einigen sehr progressiven Beschlüssen geendet, wie etwa den Segnungsfeiern für Homosexuelle oder dem Ruf nach einem Frauendiakonat. Wie blickt man vom Ausland aus auf die Entwicklungen hier bei uns?
Christopher Lamb (Britischer Journalist und Korrespondent der katholischen Publikation "The Tablet" in Rom): Ich glaube, die Katholiken und die, die sich für die katholische Kirche interessieren, schauen mit großem Interesse auf das, was in Deutschland passiert. Da gibt es einerseits diejenigen, die besorgt sind, weil ihnen das alles zu schnell und zu weit geht.
Sie fragen, welche Konsequenzen das für die Einheit der Kirche haben wird und sie finden, dass dieser deutsche Weg keine besonders gute Idee ist. Aber ich habe natürlich auch andere Reaktionen bemerkt von jenen, die begrüßen, dass sich Teile der Kirche mit wichtigen Themen beschäftigen und Reformen anschieben.
DOMRADIO.DE: Und wie schaut man in Großbritannien auf das Thema?
Lamb: Das sind Fragen, die uns alle – vor allem in den Kirchen des Westens – beschäftigen. Zum Beispiel die Segensfeiern für homosexuelle Paare. In der belgischen katholischen Kirche sind seit dem vorigen Jahr kirchliche Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare möglich - obwohl gut ein Jahr zuvor die Römische Glaubenskongregation solche Segnungen ausdrücklich verboten hatte.
Der Synodale Weg greift die Themen auf, die fast überall diskutiert werden. Aber natürlich muss man auch fragen, ob das wirklich der beste Weg ist, sich diesen Problemen zu nähern, weil es die Weltkirche betrifft. Es besteht die Gefahr, dass der Prozess kippt, dass die Einheit der Kirche zerbricht oder es zu noch mehr Uneinigkeit kommt.
Aber die Themen sind natürlich keine deutschen, sondern sie betreffen die Kirche weltweit, auch in Großbritannien, in Irland und in ganz Westeuropa.
DOMRADIO.DE: Viele dieser Ideen laufen den Ansagen aus Rom zuwider. Noch 2021 hat Rom die Segnungsfeiern für Homosexelle strikt verboten. Was wird jetzt passieren? Wird es wieder einen Brief aus Rom geben?
Lamb: Das hängt sicher davon ab, welche Handreichungen die Kommission in Deutschland jetzt erarbeitet. In dem Zusammenhang ist es interessant, nach Belgien zu schauen, wo die flämischen Bischöfe im vergangenen Jahr auf Basis der Enzyklika "Amoris laetitia" von Papst Franziskus eine Art Anerkennung homosexueller Partnerschaften und Gebete für sie formuliert haben. Das wurde im Vatikan akzeptiert.
Ich glaube das "Nein" zu den Segnungsfeiern entspringt dem Wunsch, formale liturgische Segnungen in der Öffentlichkeit zu deckeln. Und das sind die Deutschen jetzt angegangen. Deswegen wird alles davon abhängen, wie es in der Umsetzung aussehen wird.
DOMRADIO.DE: Und wie ist die Situation in Großbritannien und Irland? Wie geht man dort mit dem Wunsch homosexueller Paare nach kirchlicher Segnung um?
Lamb: Die Diskussionen sind nicht so groß wie in Deutschland, aber natürlich gibt es auch hier den Wunsch nach mehr Inklusion und Akzeptanz innerhalb der Kirche. Es gibt Zustimmung zu Papst Franziskus, der gesagt hat, dass wir alle Kinder Gottes sind, unabhängig von der sexuellen Orientierung.
Möglicherweise werden die Segensfeiern auch in einigen Gemeinden praktiziert, aber sie sind von der Kirche nicht formell anerkannt.
Aber das ist natürlich ein wichtiger Punkt, denn solange das im Verborgenen stattfindet, gibt es den Wunsch danach, es zu formalisieren. Das wird zumindest in der kirchlichen Gay-Community so formuliert.
DOMRADIO.DE: Kurienkardinal Marc Ouellet hatte die deutschen Katholiken ermahnt, den Synodalen Prozess zu stoppen und keinen Synodalen Rat zu errichten. Jetzt haben sie einen Synodalen Ausschluss gebildet, womit sie das "Nein" aus Rom quasi umgehen. Wie bewerten Sie die Beziehungen zwischen dem Vatikan und der deutschen Kirche?
Lamb: Ich denke, hier entzünden sich viele Meinungsverschiedenheiten und potenzielle Probleme. Aber der Synodale Weg hat die Synodalen Räte nicht so durchgesetzt, wie es ursprünglich formuliert war. Man hat also schon auf Rom gehört, was ich für wichtig halte.
Es ist kein Geheimnis, dass in Rom viele hochrangige Beamte – und auch der Papst – große Bedenken hinsichtlich des deutschen Reformweges und vor allem der Synodalen Räte haben, weil diese die Autorität der Bischöfe infrage gestellt hätten.
Es ist interessant, wie sich die Dinge in den nächsten Jahren entwickeln werden, auch im Zusammenspiel mit der Weltsynode im Oktober 2023. Und wie sich der Nachfolger von Kardinal Ouellet, der peruanische Bischof Robert Francis Prevost, als neuer Präfekt des Bischofsdikasteriums positionieren wird, denn Ouellet tritt im April von seinem Amt zurück.
Und wir erwarten auch bald einen neuen Präfekten für die Glaubenskongregation. Es wird also interessant sein zu sehen, wie der Vatikan mit diesem neuen Leitungspersonal den Synodalen Weg handhabt.
Aber Papst Franziskus hat eindeutig seine Besorgnis geäußert. Er fragt: Ist euer Prozess richtig? Habt ihr dem ganzen Volk Gottes zugehört? Geht ihr nicht zu schnell zu weit und habt ihr das alles durchdacht? Ich denke, das sind die Punkte, wo beim Papst die Alarmglocken angehen.
Franziskus sagt nicht: "Stoppt den Synodalen Weg!", aber er spricht Warnungen aus, er fordert dazu auf, Dinge noch mal zu durchdenken. Aber wie gesagt, es wird interessant sein zu sehen, wie sich die neuen Leiter der Dikasterien dazu verhalten, denn Ouellet und Ladaria, der noch der Glaubenskongregation vorsteht, sind die schärfsten Kritiker des Synodalen Wegs.
DOMRADIO.DE: Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ist eine der konservativen Stimmen bei diesem Synodalen Weg. Das Erzbistum wartet seit Monaten auf eine Antwort des Papstes, ob er ihn in seinem Bistum im Amt belassen will oder nicht. Wartet er mit seiner Antwort, weil er mit ihm eine starke kritische Stimme gegen die Reformbestrebungen in Deutschland hat? Ist das überhaupt ein Thema im Ausland?
Lamb: Wir beobachten schon mit großem Interesse, wie sich die Bischöfe beim Synodalen Weg positioniert haben und welche Bischöfe Papst Franziskus im Amt belässt oder nicht. Bei manchen reagiert er schnell, bei anderen lässt er sich monatelang Zeit für seine Entscheidung. Ich glaube, im Fall von Kardinal Woelki ist die Situation so komplex, dass er sich Zeit für diese Entscheidung nimmt. Wenn es bislang keine Antwort gibt, dann vielleicht, weil er denkt, dass die Zeit Antworten bringen wird.
Offensichtlich ist Papst Franziskus nicht der Ansicht, dass der Kardinal untragbar geworden ist und sofort zurücktreten muss. Ich glaube, er braucht einfach mehr Zeit in dieser Frage, um sich ein vollständiges Bild zu machen.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.