Aktuell gehe es darum, "was übrig bleibt, wenn die Bischöfe ihren prüfenden Blick auf den relativ progressiven Entwurf werfen", sagte Hermann Reichold, Leiter der Forschungsstelle für kirchliches Arbeitsrecht an der Uni Tübingen, in Stuttgart. Dort fand am Freitag das zehnte Symposium der Forschungsstelle statt.
Die Vorlage für das neue Arbeitsrecht - die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" - soll demnach bei einem Treffen der Ortsbischöfe am 21. und 22. November besprochen werden; notwendig für die angestrebte Geltung der Grundordnung zum 1. Januar ist eine Zweidrittelmehrheit der Bischöfe. Die Umsetzung geschieht vor Ort, also - unabhängig voneinander - in den 27 deutschen Bistümern.
Mindestanforderungskatalog
Die geplante Grundordnung verringert die arbeitsrechtlichen Anforderungen an das Personal - vor allem, wenn es nicht um Leitungs- und Führungskräfte geht. Für die meisten Mitarbeitenden würde nur ein Mindestforderungskatalog gelten, dessen Beachtung als unabdingbar angesehen wird: So darf nicht öffentlich gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche eingetreten werden. Für Mitarbeitende in der Verkündigung - vor allem das Seelsorgepersonal - sollen strengere Maßstäbe gelten.
Im Hintergrund geht es darum, dass die kirchlichen Träger von Einrichtungen - Kindergärten, Schulen, Altenheimen sowie die Diensten im Deutschen Caritasverband - Probleme haben, geeignetes Personal zu finden. Zusätzlich unter Druck gerät das aus dem Grundgesetz abgeleitete kirchliche Arbeitsrecht seit Jahren durch das Bundesarbeitsgericht und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Im Koalitionsvertrag einigten sich die Ampel-Parteien zudem darauf, die Sonderrechte der Kirchen zu überprüfen.
Caritas will weiter gehen
Der Caritasverband will die Anforderungen ans Personal weiter verringern. Der Geschäftsführer der Dienstgeber, Marcel Bieniek, betonte, der Entwurf reiche nicht, "um die Realität vollends abzubilden". Es bestehe die Gefahr, dass es eines Tages mangels Personal keine karitativen Einrichtungen mehr gebe. Gerade die sorgten "aber heute noch für positive Schlagzeilen".
Regina Mathy von der Deutschen Bischofskonferenz betonte, beim Entwurf stehe mit Blick auf ein christliches Profil nicht wie bislang die Person im Vordergrund, sondern der Charakter einer Einrichtung. Es gehe mit Blick auf die Mitarbeitenden um Offenheit und Bereitschaft, sich mit dem kirchlichen Auftrag zu identifizieren. Kern sei das Verhalten des Einzelnen im Dienst, aber nicht dessen private Lebensführung. Zur Unternehmenskultur gehöre die Klärung der Frage: "Was trägt und prägt die Einrichtung".
"Kernbestand katholisch"
In der Regel seien Fortbildungen für Mitarbeitende nötig. Als Beispiel nannte Mathy: Wenn im Altenheim ein Bewohner um die Krankensalbung bitte, dürfe der Pflegende nicht nach einer Salbe für Kranke suchen, sondern müsse wissen, dass das Sakrament der Krankensalbung erwünscht sei. Für die Juristin muss in einer Einrichtung ein "Kernbestand" der Mitarbeitenden katholisch sein, "zwanghafte Katholizität" gebe es aber nicht mehr.
"Nachholbedarf" bei der Frage, ob ein Kirchenaustritt zum Arbeitsvertragsende führen müsse, sieht Elisabeth Hartmeyer von der Katholischen Hochschule Freiburg. Auch wenn der Entwurf Ausnahmen von einer automatischen Kündigung kenne - etwa eigene Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch - fordert Hartmeyer einen "handlungsbezogenen Ansatz": Als Kriterium der Christlichkeit solle "das Zeugnis unabhängig von Zugehörigkeit" gelten. Für die Juristin und Theologin darf ein Austritt "nicht banalisiert oder tabuisiert, aber auch nicht pauschalisiert" werden. Es gelte, "weg von der negativen Sanktionslogik" zu kommen.
Blick auf Kündigungen richten
Bruno Schrage vom Kölner Diözesancaritasverband kritisierte, dass die Bestimmung darüber, was "kirchenfeindliches Verhalten" sei und eine Kündigung rechtfertige, im Einzelfall immer beim Bistum bleibe. Unter den 27 Bischöfen bestünden darüber sehr unterschiedliche Wahrnehmungen. Insgesamt sieht Schrage das kirchliche Arbeitsrecht nicht als reif für das 21. Jahrhundert an. Er schlug vor, dass die Bischöfe die Mitarbeitenden fragen sollten, ob es überhaupt ein eigenes Arbeitsrecht brauche.