Aus Sicht des Staatskirchenrechtlers Georg Neureither ist bei einer Verhandlung zum kirchlichen Arbeitsrecht in Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) von einem Urteil zugunsten einer entlassenen Hebamme auszugehen. Nach der sogenannten Gleichbehandlungsrichtlinie der Luxemburger Richter müsse eine Hebamme in einem kirchlichen Krankenhaus nicht zwingend Mitglied einer Kirche sein, schreibt der Heidelberger Jurist in einem Gastbeitrag für das Portal katholisch.de (Donnerstag).
Die Hebamme, die bis 2014 bei einem Krankenhaus in Trägerschaft der Dortmunder Caritas arbeitete, trat später aus der katholischen Kirche aus. Eine erneute Einstellung 2019 scheiterte daran. Zunächst erhielt sie einen Vertrag, doch wurde dieser wieder gekündigt vom Krankenhaus, nachdem sie im Personalbogen den Austritt angegeben hatte.
Austritt nicht gleich konfessionslos
Die Hebamme klagte daraufhin, da in dem Krankenhaus konfessionslose Mitarbeiter, die nicht zuvor katholisch waren, als Hebammen beschäftigt sind. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt, in zweiter Instanz wies das Landesarbeitsgericht in Hamm die Klage 2020 indes ab. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt legte den Fall nun den Luxemburger Richtern mit der Frage zur Prüfung vor, ob es sich um eine Ungleichbehandlung handelt.
Laut Neureither ist aus kirchlicher Sicht konfessionslos nicht gleich konfessionslos. Der Kirchenaustritt sei deshalb als Kriterium für das Krankenhaus relevant, weil das Kirchenrecht den Austritt aus der Kirche als Straftat ansieht, woran sich die nach kirchlichem Recht schwerste Strafe der Exkommunikation knüpft. "Für die Kirche sind es somit zwei verschiedene Dinge von unterschiedlichem Gewicht: ob jemand kein Mitglied ist oder ein Mitglied war, sich dann aber abgewendet hat."
Prinzip der Gleichbehandlung
Der Staat müsse diese Differenzierung zwar beachten und berücksichtigen, habe aber einen eigenen Maßstab zur Entscheidungsfindung, so der Jurist weiter. Er müsse entscheiden, welchen Stellenwert er dieser Differenzierung beimisst. Dabei spiele in der Regel auch eine Rolle, um was für eine Art von Stelle es sich handele und wie wichtig dort die Zugehörigkeit zur Kirche sei.
Interessant werde es nun, wenn sich nach der Entscheidung aus Luxemburg das Bundesverfassungsgericht erneut einschalte. Dadurch könne "sachlich ein Konflikt zwischen EU-Recht und nationalem Recht und institutionell zwischen Europäischem Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht erkennbar" werden, fügte Neureither hinzu.
Die Kirchen in der Bundesrepublik haben ein eigenes Arbeitsrecht. Dieses Selbstbestimmungsrecht ist im Grundgesetz verankert. Während in ähnlichen Fällen bislang das Bundesverfassungsgericht in der Regel die kirchliche Position stärkte, gelten die Luxemburger Richter als deutlich skeptischer gegenüber den deutschen Regelungen.