Vatikan-Kirchenrechtler Markus Graulich kritisiert die in Deutschland geplante Reform des Arbeitsrechts in der katholischen Kirche. Wenn keine "der Sittenlehre der Kirche entsprechenden Ansprüche mehr an die Mitarbeiter gestellt werden - wozu braucht es dann noch ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht?", fragt der Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte in einem Beitrag für die Zeitschrift "Herder Korrespondenz" (August) in Freiburg.
Private Lebenshaltung
Die Regeln für die rund 790.000 Beschäftigten der katholischen Kirche und der Caritas in Deutschland sollen sich grundlegend ändern. Im Entwurf der Deutschen Bischofskonferenz für eine neue "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" heißt es unter anderem, die private Lebensgestaltung, "insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre" der Beschäftigten, solle keinen Anlass mehr für Kündigungen bieten, falls diese nicht im Einklang mit der kirchlichen Lehre stehe.
Als einziger Kündigungsgrund bliebe damit "kirchenfeindliches Verhalten" erfasst. Und ein Austritt aus der Kirche zöge auch nach der neuen Ordnung in der Regel eine Entlassung nach sich. Davon sollen aber Ausnahmen möglich sein.
Arbeitsrecht vs. Lebenswirklichkeit
Graulich erinnert nun daran, dass die bisherigen Regeln "die Sendung und die Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns garantieren" sollen. Sie würden aber nicht nur im deutschen Reformdialog Synodaler Weg infrage gestellt, sondern auch von der Aktion "Out In Church" und in einem Brief von elf Generalvikaren an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Darin heiße es wörtlich: "Das Arbeitsrecht darf kein Instrument sein, um eine kirchliche Sexual- und Beziehungsmoral durchzusetzen, die derzeit ohnehin zur Diskussion steht und die komplexe Lebenswirklichkeit von Menschen außer Acht lässt."
Graulich schreibt weiter, all diese Reformvorhaben seien "eng mit Bestrebungen verbunden, die Sittenlehre beziehungsweise die Moral der Kirche aufzugeben oder sie entsprechend zu verändern". Zugleich fragt er: "Wie kirchlich ist aber kirchliches Arbeitsrecht, das sich von der Morallehre der Kirche verabschiedet?"
Im EU-Recht werde den Kirchen ausdrücklich zugestanden, Loyalität und Aufrichtigkeit ihrer Mitarbeiter im Sinne ihres Ethos zu verlangen, so Graulich weiter: "Wird aber nicht gerade dieses Ethos, das sich auch in der persönlichen Lebensführung ausdrückt, aufgegeben?"
Ansprüche an Loyalität niedriger
Alle Gläubigen in der katholischen Kirche seien verpflichtet, auch in ihrem eigenen Verhalten immer die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren, fügt der Kirchenrechtler hinzu: "Dies gilt besonders für diejenigen, die an der Sendung der Kirche mitarbeiten; alles andere ist unglaubwürdig." Daher sei tatsächlich zu fragen, wozu man noch ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht brauche, wenn man diese Ansprüche an die Loyalität der Mitarbeitenden nicht mehr stelle.