DOMRADIO.DE: Eine gleichgeschlechtliche Zivilehe kann also in Zukunft kein Kündigungsgrund mehr sein. Das ist doch erst mal eine gute Nachricht, oder?
Dr. Michael Brinkschröder (Theologe und Religionslehrer): Ja, das ist es zweifellos. Dass Beziehungsleben und die Intimsphäre als Kernbereich privater Lebensführung anerkannt und nicht mehr arbeitsrechtlich betrachtet und sanktioniert werden, das ist ein großer Fortschritt dieses neuen Entwurfs.
DOMRADIO.DE: Aber man hört bei Ihrer Antwort schon ein großes Aber. Nämlich?
Brinkschröder: Ja. Es ist ein Aber. Das bezieht sich darauf, dass zwar ausdrücklich gesagt wird, dass jeder in der Lage ist, die Liebe Gottes zu verkörpern – ungeachtet der Lebensform, der sexuellen Orientierung und des Geschlechts. Aber es wird eben nicht ausdrücklich darauf eingegangen: Wie ist das bei Menschen mit Transidentität, bei nicht-binären Menschen, bei diversen Menschen?
Genau diese Frage der geschlechtlichen Identität, die wird nicht berücksichtigt und nicht ausdrücklich erwähnt. Jetzt könnte man natürlich sagen, das ist alles in dem großen Umbrella-Term "Geschlecht" inbegriffen, aber es wäre schon wünschenswert, wenn es da eine Klarstellung geben würde.
DOMRADIO.DE: Und Sie sagen ja auch, christliche Werte werden nicht präzise benannt. Man müsste ganz genau sagen, dass eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft christlich und auch vorbildlich sein kann. Warum?
Brinkschröder: Nein, in dem Fall glaube ich, dass es ziemlich deutlich geklärt ist, dass gleichgeschlechtliche Eheschließungen und Partnerschaften jetzt kein Kündigungsgrund mehr sein werden. Da glaube ich, dass gewissermaßen die Kuh vom Eis ist. Aber andere Formulierungen sind einfach unklarer.
Es gab zum Beispiel Fälle, wo schwule Mitarbeiter der Kirche einer Diözese auf Dating-Plattformen unterwegs waren und dann angezeigt und deswegen auch gekündigt worden sind. Das ist einige Jahre her, aber das ist so ein Beispiel, das liegt genau an der Grenze zwischen privater Intimsphäre auf der einen Seite, aber auch öffentlicher Aktivität auf der anderen Seite.
Diese Grenze ist nicht definiert, weil genau mit diesen beiden Begriffen – öffentlich und privat – operiert wird. Auch da wäre es ganz gut, auch noch einmal eine Klärung herbeizuführen.
DOMRADIO.DE: Sie kritisieren ja auch, dass keine queeren Organisationen bei der Erarbeitung des Entwurfs mitgemacht haben.
Brinkschröder: Genau. Im Vorfeld hat es da keinerlei Konsultationen gegeben. Die sind auch nicht geplant. Es sind ja einige Gruppen benannt worden, die jetzt zu Stellungnahmen aufgerufen sind. Aber #OutInChurch zum Beispiel ist nicht dabei.
DOMRADIO.DE: Das ist ja jetzt ein erster Entwurf zur Änderung des Arbeitsrechts. Sie sagen, da besteht noch Bedarf zur Nachbesserung und wenn ja, wie wollen Sie sich jetzt einbringen?
Brinkschröder: Ich denke, es ist notwendig, zum Beispiel die Stellungnahme und die darin enthaltene Kritik oder den Wunsch zur Präzisierung an manchen Stellen der Kommission und der Bischofskonferenz zuzuleiten und einfach ein Gesprächsangebot zu machen. Eine zweite Möglichkeit, wo die Drähte ein bisschen besser funktionieren, ist über das Forum 4 des Synodalen Wegs. Der Synodale Weg ist ausdrücklich genannt worden als eine Körperschaft, die da auch noch Stellung beziehen soll.
Das Interview führte Heike Sicconi.