"Er wird nicht schweigend sterben." Das sagte die polnische Filmemacherin und Vorsitzende der Europäischen Filmakademie (EFA), Agnieszka Holland, im Sommer 2018 im Interview der Deutschen Welle über ihren ukrainischen Kollegen Oleg Senzow. Sie behielt Recht. Nach 145 Tagen beendete der 42-Jährige am 6. Oktober seinen Hungerstreik, mit dem er die Freilassung von etwa 100 ukrainischen politischen Gefangenen in Russland erwirken wollte.
In einem Brief schrieb Senzow, dass er gezwungen worden sei, den Hungerstreik zu beenden. "Im Zusammenhang mit meinem kritischen Gesundheitszustand (...) ist bei mir Zwangsernährung geplant. Meine Meinung wird dabei nicht berücksichtigt", zitierte die Deutsche Welle aus dem Brief Senzows. Die EU-Abgeordneten jedoch haben seinen Kampf nicht übersehen. Für seinen Einsatz erhielt er am Mittwoch in Straßburg den Sacharow-Preis für Menschenrechte des EU-Parlaments.
"Dieser ukrainische Regisseur ist zum Symbol für die Befreiung politischer Häftlinge in Russland und weltweit geworden", sagte Parlamentspräsident Antonio Tajani im Oktober - und forderte Senzows Freilassung.
Zu 20 Jahren Straflager verurteilt
Der Regisseur war im August 2015 in Russland in einem international kritisierten Prozess zu 20 Jahren Straflager verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, auf der von Russland 2014 annektierten ukrainischen Halbinsel Krim Terroranschläge vorbereitet zu haben. Amnesty International spricht von einem "unfairen Prozess und politisch motivierten Anschuldigungen".
Nominiert für den Preis wurde Senzow von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP). Der ukrainische Regisseur habe den Mut gehabt, sich gegen die "illegale Annexion" der Krim zu stellen, schreibt die Fraktion in ihrer Begründung. "Er wurde verurteilt, weil er an den Vorrang von Gesetzen und Werten glaubte, und nicht an brutale Gewalt und Betrug." Das mache ihn zu einem "Gefangenen aus Gewissensgründen".
Begrüßt wurde Senzows Auszeichnung auch von der Grünen-Abgeordneten Rebecca Harms. Putin habe ihn und viele andere Ukrainer zu Geiseln gemacht. Die Preisvergabe sei auch das Versprechen, für seine Freilassung und die aller anderen Ukrainer zu arbeiten, die zu Unrecht in Russland eingesperrt seien, so Harms.
Gnadengesuche abgelehnt
Senzow stammt aus der Stadt Simferopol auf der Krim. 2011 produzierte er den Film "Gamer" über einen Cyber-Sportler. Das Werk erhielt mehrere Auszeichnungen, wodurch auch viele auf seinen Film "Nashorn" über Kinder der 90er Jahre aufmerksam wurden. Als die Proteste auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, dem Maidan, im Herbst 2013 begannen, schloss sich Senzow der Bewegung an. Im Mai 2014 wurde er wegen Terrorverdachts festgenommen.
Seither gingen mehrere Gnadengesuche beim russischen Präsidenten ein, auch von seiner Mutter. Alle wurden abgelehnt. Der Kreml verlangt, dass Senzow selbst um Gnade bittet. Doch das will er nicht; ein Gnadengesuch sei auch ein Schuldeingeständnis. "Oleg wird sicher nicht um Gnade bitten und seine Freilassung nicht akzeptieren, wenn nicht seine Mitgefangenen ebenfalls freikommen", so Agnieszka Holland.