Ausgerechnet ein ehemaliger Vertrauter des 2013 verstorbenen venezolanischen Revolutionsführers Hugo Chavez erhebt schwere Vorwürfe gegen die sozialistische Regierungspartei PUSV. Ex-Innenminister Miguel Rodriguez Torres sagte am Donnerstag (Ortszeit) der Tageszeitung "El Nacional" es sei vorstellbar, dass sich PUSV-Mitglieder bei den Vorwahlen in die Liste des Oppositionsbündnisses "Tisch der Einheit" (MUD) eingeschmuggelt hätten und dort gezielt für jene Kandidaten der Opposition stimmten, die bei den umstrittenen Regionalwahlen vier Gouverneursposten der "Accion Democracia" (AD) gewannen.
Genau jene vier neu gewählten Gouverneure ließen sich in dieser Woche von der hoch umstrittenen verfassungsgebenden Versammlung vereidigen und sorgten damit für einen Bruch innerhalb des Oppositionsbündnisses. Stimmen die Vorwürfe des ehemaligen Geheimdienstfunktionärs unter Chavez, wäre das ein besonders perfider Wahlbetrug.
Regionalwahlen: Überraschendes Ergebnis
Die Regionalwahlen, seit Monaten aufgeschoben, führten vor knapp zwei Wochen zu einem überraschenden Ergebnis. Entgegen aller Umfragen gewann die Partei des sozialistischen Staatspräsidenten Nicolas Maduro in 18 der 23 Bundesstaaten die Gouverneursposten, vier gingen an die AD. Nur der Gouverneur des Bundesstaates Zuila, Juan Pablo Guanipa, blieb der Vereidigung vor dem Verfassungskonvent fern.
Stattdessen demonstrierte er in der Provinzhauptstadt Maracaibo - der Protest wurde von der Polizei mit Tränengasgranaten gewaltsam aufgelöst. Mit der Einsetzung des Verfassungskonvents entmachtete Maduro einst das frei gewählte Parlament, in dem die Opposition die Mehrheit hatte, die der Präsident allerdings mit Ausnahmezustand und Sonderdekreten ignorierte.
Offener Bruch innerhalb des MUD
Inzwischen ist es zum offenen Bruch innerhalb des MUD gekommen. Henrique Capriles, zweimaliger Präsidentschaftskandidat, will das Bündnis komplett neu gründen. Solange wolle er dem MUD nicht mehr angehören, sagte Capriles.
Wenige Tage nach den Regionalwahlen in Venezuela hatten die Bischöfe des venezolanischen Landes scharfe Kritik an der staatlichen Wahlbehörde geübt. Die Institution habe sich einmal mehr als "parteiischer Schiedsrichter in Diensten der offiziellen Partei" erwiesen, heißt es in einer Stellungnahme der venezolanischen Bischofskonferenz, aus der lokale Medien zitierten.
"Neue Zweifel und Fragen"
Die Möglichkeit einer Wahl von Gouverneuren hätte für viele ein Licht am Ende des Tunnels und ein Motiv der Hoffnung bedeutet, schrieben die Bischöfe. Stattdessen seien aber neue Zweifel und Fragen entstanden und die Tür für neue Konflikte und schwere Spannungen in der Zukunft geöffnet worden.
Die Bischöfe forderten die ethische und juristische Wiederherstellung des Wahlsystems, damit die Bürger frei und vertrauensvoll ihre Stimme abgeben können. Teile der venezolanischen Opposition hatten die Anerkennung der Wahlergebnisse verweigert, Capriles bezeichnete das venezolanische Wahlsystem als das korrupteste der Welt.
"Uneingeschränkte Unterstützung"
Mitten hinein in diese Phase platzt nun die Verleihung des Sacharow-Preises des Europaparlaments. Ausgezeichnet wird der Parlamentspräsident der inzwischen entmachteten Nationalversammlung, Julio Borges, sowie alle von der Organisation "Foro Penal Venezolano" (Venezolanisches Forum zur Verteidigung politischer Häftlinge) als solche anerkannten politischen Gefangenen. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani verkündete die Entscheidung vor den EU-Abgeordneten im Plenum.
"Mit der Verleihung des Sacharow-Preises für geistige Freiheit an die demokratische Opposition in Venezuela bekräftigen wir erneut unsere uneingeschränkte Unterstützung für die demokratisch gewählte Nationalversammlung in Venezuela. Dies ist auch ein Appell für einen friedlichen Übergang zur Demokratie, welchen die Menschen in Venezuela so verzweifelt fordern", sagte der Parlamentspräsident. Und vielleicht auch der Startschuss für einen Neuanfang innerhalb der venezolanischen Opposition.