So müssten etwa stereotype Darstellungen aus Schulbüchern verschwinden, sagte der emeritierte Erzbischof aus der Hauptstadt Abuja am Mittwoch in Lindau. Auch der religiöse Sektor sei in der Pflicht. Onaiyekan verwies dabei auf Spannungen zwischen Christen und Muslimen in seiner Heimat. Gläubige verschiedener Gemeinschaften sollten einander als Kinder Gottes respektieren und sich nicht dämonisieren. Dinge, die eine Gemeinschaft für sich beanspruche, müsse sie auch Andersgläubigen zugestehen.
Der Kardinal äußerte sich bei der "Frauen, Glaube und Diplomatie"-Konferenz. Diese wird von der nach eigenen Angaben weltgrößten interreligiösen Nichtregierungsorganisation "Religions for Peace" (RfP) veranstaltet. Die seit Dienstag laufende Versammlung dauert noch bis Freitag. Dabei kommen laut RfP rund 600 Menschen aus etwa 90 Ländern zusammen, um neue Wege zur Förderung des interreligiösen Dialogs zu suchen - coronabedingt größtenteils virtuell.
Distanz zum Holocaust werde größer
Das Thema Erziehung sprach auch David Rosen an. Der Rabbi aus Israel, Direktor für interreligiöse Angelegenheiten der US-Nichtregierungsorganisation American Jewish Committee (AJC), konstatierte, die Menschen in Europa seien immer weniger sensibilisiert für Hassreden gegen Juden. Die Distanz zum Holocaust werde zunehmend größer. Daher brauche es mehr Einsatz im Kampf gegen den Antisemitismus. So müsse der Holocaust überall auf dem Lehrplan stehen - nicht nur historisch gesehen, sondern auch als Paradigma: "Was passiert, wenn man eine bestimmte Gruppe von Menschen herausstellt und stereotyp behandelt?"
Der Rabbi forderte zudem eine flächendeckende Annahme der Antisemitismus-Definition des Bündnisses "International Holocaust Remembrance Alliance" (IHRA) in Europa. Sie definiert Antisemitismus unter anderem als Quelle von Hass gegen Juden; dazu zählt etwa die Vorstellung einer "jüdischen Weltverschwörung". Ferner mahnte Rosen einen sensiblen Umgang mit Sprache an. Einen Begriff wie Pharisäer im Sinne von Heuchler zu verwenden, könne Juden verletzen. - Pharisäer gehörten einst einer jüdischen, die religiösen Gesetze streng einhaltenden Bewegung an. Der übertragene Gebrauch des Wortes für einen selbstgerechten Menschen geht auf eine Bibelstelle zurück.