Wer an Mutter Teresa denkt, hat sofort ein ganz bestimmtes Bild vor Augen: Eine kleine, gebückte Frau im weißblauen Gewand, die Hände gefaltet, das Gesicht zerfurcht. Viele Menschen haben den "Engel von Kalkutta" schon zu Lebzeiten wie eine Heilige verehrt. Am Dienstag berät Papst Franziskus mit den Kardinälen abschließend darüber, ob und wann die berühmte Missionsschwester tatsächlich heiliggesprochen wird.
Auch wenn in den vergangenen Jahren das überlebensgroße Bild der Ordensfrau ein paar Kratzer bekam: Mutter Teresas Strahlkraft ist bis heute ungebrochen. Das zeigte sich zuletzt im September 2015, als das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" Kanzlerin Angela Merkel angesichts ihres Handels in der Flüchtlingskrise als "Mutter Angela" auf den Titel brachte.
Lehrerin und Direktorin einer Mädchenschule
Mutter Teresa wurde am 26. August 1910 als Agnes Gonxha Bojaxhiu in Skopje im heutigen Mazedonien geboren. Schon mit 18 Jahren ging sie als Missionsschwester nach Indien und arbeitete dort als Lehrerin - eigentlich eine "übliche" Missionskarriere. Ihr Weg schien vorgezeichnet: Geografielehrerin und - weil überdurchschnittlich begabt - schließlich Direktorin einer Mädchenschule in Kalkutta.
Doch täglich begegneten ihr Bettler, ausgemergelte und kranke Menschen. Sie traf Kinder, die ausgesetzt wurden. Eine "Damaskus-Stunde" beendete ihr normales Leben als Missionarin. "Gott rief mich", sagte sie später. Dennoch war ihre Frömmigkeit offenbar nicht unerschütterlich, wie private Notizen und vertrauliche Briefwechsel offenbarten, die 2007 veröffentlicht wurden. Ein ganzes Jahrzehnt lang durchlitt die Ordensfrau demnach schmerzhafte Zweifel an ihrer Mission und quälende seelische Einsamkeit.
Gründung einer Ordensgemeinschaft
Bewegt vom Elend in den Slums von Kalkutta verließ sie 1948 ihr Kloster und gründete eine eigene Ordensgemeinschaft. Die "Missionarinnen der Nächstenliebe" widmeten sich ausschließlich den Ärmsten, den Findelkindern und den Sterbenden auf der Straße. Immer mehr junge Frauen, zunächst in Indien und später auf allen Kontinenten, schlossen sich ihrem Orden an.
Friedensnobelpreisträgerin
1979 wurde Mutter Teresa mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Wenn nach Vorbildern gefragt wurde, stand ihr Name meist auf den vorderen Plätzen. Für die meisten Menschen war Mutter Teresa das weltweite Symbol für christliche Nächstenliebe.
Kritische Berichte
2013 veröffentlichten dann renommierte Medien wie die "Zeit", die "Süddeutsche Zeitung" oder die "Welt" kritische Berichte. Anlass war eine umfangreiche Studie zum Leben der berühmten Missionsschwester. Drei kanadische Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, in Armenhäusern von Mutter Teresa hätten schlechte hygienische Zustände geherrscht. Sterbenden seien teilweise Schmerzmittel verweigert worden. Die Missionarin sei sogar "alles andere als eine Heilige", bilanzierte der Leiter der Studie, der Psychologieprofessor Serge Larivee von der Universität Montreal.
Bei ihrem Tod am 5. September 1997 im Alter von 87 Jahren war die Trauer weltweit groß. Papst Johannes Paul II. nannte Mutter Teresa "ein Geschenk an die Kirche und an die Welt". Bereits sechs Jahre später, am 19. Oktober 2003, sprach er sie in Anwesenheit von rund 300.000 Menschen in Rom selig.
Heiligsprechung voraussichtlich am 4. September 2016
Die Besiegelung ihrer Heiligsprechung dürfte nun nur noch Formsache sein. Im Dezember 2015 hat Papst Franziskus die wissenschaftlich nicht erklärbare Heilung eines an einem Hirntumor leidenden Mannes als Wunder anerkannt; es sei auf die Fürsprache von Mutter Teresa gewirkt worden. Die Heiligsprechung soll voraussichtlich am 4. September 2016 stattfinden - als ein Höhepunkt des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit.
Als Franziskus vor wenigen Tagen die vier im Jemen ermordeten Mutter-Teresa-Schwestern würdigte, betete er bereits in bemerkenswerten Worten: "Mutter Teresa begleite diese ihre Töchter und Märtyrer der Nächstenliebe ins Paradies und trete bei Gott ein für Frieden und den heiligen Respekt vor dem menschlichen Leben."