Kardinal Marx, die Frauen und der Reformeifer

Wie vom Reden ins Handeln kommen?

Frauen als Diakoninnen? Die Zeit ist dafür reif, betont Kardinal Marx. Kirchenrechtler sagen, dass er längst etwas vorantreiben könnte. Und Frauen im Erzbistum legen dem Kardinal sogar konkrete Vorschläge vor.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Eine altkatholische Diakonin und zwei Priester während eines Gottesdienstes / © Cornelis Gollhardt (KNA)
Eine altkatholische Diakonin und zwei Priester während eines Gottesdienstes / © Cornelis Gollhardt ( KNA )

Eine mehr als 2.500 Jahre alte Fabel des antiken Dichters Äsop hat ein bis heute gebräuchliches Sprichwort hervorgebracht: "Hic Rhodus, hic salta" ("Hier ist Rhodos, hier springe"). Was so viel heißt wie: Anstatt Sprüche zu klopfen, zeige doch mal, wie weit du wirklich kommst. Hier und jetzt.

Applaus für Kardinal Marx

Ein solcher Ton mischt sich nun in die Debatte um Reformen in der katholischen Kirche in Deutschland. Am vorletzten Wochenende nutzte der Münchner Kardinal Reinhard Marx einen Gottesdienst zum Gedenken an die katholische Sozialpionierin Ellen Ammann (1870-1932) für eine Ansage: Die Zeit sei reif, dass Frauen Diakoninnen werden könnten. Und er fügte hinzu: "Ich bin der Überzeugung, dass diese Erneuerung ein großes Geschenk für die Kirche sein kann."

Ellen Ammann / © nn (dpa)
Ellen Ammann / © nn ( dpa )

Für Marx – und offenbar für die meisten der applaudierenden Zuhörerinnen – war es ein Fortschritt, sich so zu positionieren. Bisher hatte er lediglich vertreten, über die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern müsse weiter diskutiert werden, ohne sich selbst festzulegen. Nun hat er klargemacht, dass er es richtig fände, zumindest die erste Stufe des dreiteiligen katholischen Weiheamtes für Frauen zu öffnen.

"Vereinigung katholischer Diakoninnen" gab es schon

Man kann darin eine Symbolträchtigkeit sehen: Bereits Ammann gründete vor mehr als 100 Jahren eine Vereinigung katholischer Diakoninnen. Der damalige Münchner Erzbischof Michael von Faulhaber begleitete sie mit einigem Wohlwollen. Er nahm ihnen Gelübde ab, segnete sie, sah aber von einer förmlichen Weihe ab.

Die Forderung nach dem Diakonat der Frau ist ein Punkt, der schon lange auf der Tagesordnung der katholischen Reformkräfte steht. Die Würzburger Synode (1971-1975) fasste sogar einen diesbezüglichen Beschluss. Der verschwand allerdings in einer römischen Schublade.

Appell von Kirchnrechtler Lüdecke

Hic Rhodus, hic salta, sagt nun der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke sinngemäß zu Marx. Wenn der Kardinal wirklich Diakoninnen wollte, könnte er ja den Papst um eine Ausnahmegenehmigung bitten, schreibt Lüdecke in dem Blog "Theosalon". Dieser Appell sei indes schon vor 27 Jahren öffentlich an die deutschen Bischöfe gerichtet worden, wie der Wissenschaftler betont. Passiert sei danach: nichts.

Norbert Lüdecke / © Harald Oppitz (KNA)
Norbert Lüdecke / © Harald Oppitz ( KNA )

Dieser Umstand lässt Lüdecke an der Ernsthaftigkeit des Votums aus München zweifeln: "Marx bläst ein wenig in das Fünkchen Hoffnung, will aber kein Feuer." So wie es etliche andere Bischöfe täten, die mal auf die Weltkirche verwiesen, mal darauf, dass nur ein Konzil eine solch weitreichende Änderung beschließen könne. So wie es gerade wieder in Australien passiert sei, wo ein starkes Votum für die Diakoninnenweihe an der fehlenden Mehrheit unter den Bischöfen gescheitert sei.

Forderung nach Taufspendung und Assistenz bei Eheschließungen

Hic Rhodus, hic salta, ruft nun auch das Frauenforum der Erzdiözese München und Freising: "Auf, Auf, frisch ans Werk!" zitiert das Gremium einen Ausspruch von – Ellen Ammann. Marx solle alle Gemeinde- und Pastoralreferentinnen und auch ihre männlichen Kollegen mit der Taufspendung beauftragen, also Fachpersonal mit annähernd derselben theologischen Qualifikation wie Priester, das seit mehr als 50 Jahren in Deutschlands Pfarrgemeinden eingesetzt ist.

Ferner solle er sich bei der Deutschen Bischofskonferenz dafür einsetzen, dass diese "hervorragend ausgebildeten Frauen und Männer" künftig auch bei Eheschließungen assistieren könnten. Obwohl sie nicht geweiht sind. Beides, so die Initiatorinnen, sei kirchenrechtlich schon jetzt möglich.

Vorbild Schweiz?

In der Tat ist dies etwa in der Schweiz, wo Pastoralreferentinnen in Bistümern wie Basel und Sankt Gallen offiziell unter dem Titel Pfarreiseelsorgerin firmieren, schon länger üblich. Soeben wurden im Bistum Essen erstmals Frauen und Männer ohne Weihe mit Taufen beauftragt. Ob Marx, der nach seinem vom Papst vor einem Jahr nicht angenommenen Rücktritt zusehends zur Galionsfigur der Reformkräfte in Deutschland avanciert, nun ins Handeln kommt? "Schaun mer mal", würde ein berühmter Münchner Fußballer wohl sagen.

Nachtrag: Was wurde aus Ellen Ammanns Diakoninnen? Es gibt sie heute noch. Allerdings musste sich die Gruppe 1952 auf römisches Geheiß umbenennen. Aus den Diakoninnen wurden "Ancillae", lateinisch für Mägde. Es sind Frauen, die ihren Diakonat im Alltag leben, in Beruf und Ehrenamt, und die gemeinsam ein spirituelles Leben führen, ohne dass von ihnen groß Notiz genommen wird.

Quelle:
KNA
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