Kardinal Marx hält Vortrag bei Antimissbrauchskongress

Keine Alternative zu Offenheit

Die Krise der katholischen Kirche ist nach dem Missbrauchsskandal noch nicht überwunden, meint Kardinal Marx. Notwendig sei jetzt eine richtige Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. "Abschottung, Verharmlosung und Relativierung führen nicht zum Ziel, neue Glaubwürdigkeit zu gewinnen." Seine Meinung vertrat Kardinal Marx in Rom bei einem Symposium gegen Missbrauch vor seinen Amtsbrüdern.

 (DR)

"Es kommt darauf an, ganz im Geiste Jesu die Wirklichkeit des Lebens der Kirche immer mehr dem anzugleichen, was uns vom Evangelium her aufgegeben ist", sagte Marx am Donnerstag in Rom. In den vergangenen Jahrzehnten habe der Schutz der Institution im Vordergrund gestanden. Dazu habe auch eine verharmlosende und die Tatsachen verwischende Sprache beigetragen. Die Bischöfe seien gefordert, sich angesichts des Missbrauchsskandals den Medien und der Öffentlichkeit zu stellen, unterstrich Marx.



Marx: Kirche ist für die Menschen da

Die Krise müsse aber auch als Chance für geistliche Erneuerung begriffen werden: "Es muss neu sichtbar werden, dass die Kirche für die Menschen da ist und besonders für die Kleinen, die Armen und die Schwachen." Insbesondere müsse die katholische Kirche ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, in der Bildung und bei der Familienförderung neu ausrichten.



Aufgabe der Kirche sei der Schutz und die Förderung des Lebens der Kinder, betonte der Kardinal. Wenn die Kirche dies in den Mittelpunkt ihres Interesses stelle, dann sei das ein entscheidender Beitrag für einen Neuaufbruch der Kirche. "Dann kann die Kirche dieser Jahre auch Ausgangspunkt zu Heilung und Erneuerung der Kirche für die Zukunft sein", sagte der Erzbischof.



Enge Zusammenarbeit von Kirche und Staat

Der Kardinal sprach sich für eine enge Zusammenarbeit von Kirche und Staat bei Missbrauchsfällen aus. Die staatliche Justiz dürfe nicht, wie mitunter bisher, als Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten verstanden werden. Bei Straftatbeständen von kirchlichen Mitarbeitern sei der Kontakt zur Staatsanwaltschaft je nach Umständen notwendig.    



Mit Blick auf Missbrauchsfälle warnte Marx vor Nachlässigkeiten in der Verwaltung und Gleichgültigkeit gegenüber dem Kirchenrecht: "Die Erfahrungen zeigen eben, dass ein Verfall der kirchlichen Verwaltung bis in die Aktenführung hinein, eine Missachtung des Kirchenrechts und der Disziplin und eine Vernachlässigung der Qualitätskontrolle zu außerordentlich unerwünschten Folgen führen."



Seit Montag haben Kirchenvertreter aus 110 Ländern und von 30 Orden an der Päpstlichen Gregoriana-Universität über den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger beraten. An der Konferenz, die von der Universität zusammen mit Vatikanbehörden veranstaltet wurde, nahm aus Deutschland neben Marx auch der Trierer Bischof und Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, teil.