Kardinal Meisner zu den Plänen für eine Kirche in Tarsus

"Wir sind da"

In der muslimisch geprägten türkischen Stadt Tarsus, dem Geburtsort des Apostels Paulus, soll nach dem Wunsch zahlreicher katholischer Bischöfe künftig eine Kirche dauerhaft für Gottesdienste genutzt werden können. Vor allem der Kölner Kardinal Joachim Meisner setzt sich dafür ein. An der Spitze einer Delegation der Deutschen Bischofskonferenz unternahm er in dieser Woche eine fünftägige Pilgerreise in die Türkei und besuchte dabei auch Tarsus. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläuterte Meisner am Donnerstag in Tarsus seine Motive und zieht eine erste Bilanz.

Herzensanliegen Tarsus: Kardinal Meisner (hier mit seinem im Juni ermordeten Mitstreiter Bischof Luigi Padovese) (KNA)
Herzensanliegen Tarsus: Kardinal Meisner (hier mit seinem im Juni ermordeten Mitstreiter Bischof Luigi Padovese) / ( KNA )

KNA: Herr Kardinal, die deutschen Bischöfe haben während ihrer Türkeireise auch Tarsus besucht. Warum machen Sie sich so sehr für eine Kirche in dem Ort stark?
Meisner: Im Paulusjahr wollen wir auf den Spuren des Apostels seiner irdischen Gestalt nachgehen. Die Lebensräume prägender Gestalten spielen für uns Menschen eine große Rolle. Und der größte Sohn von Tarsus ist Paulus. Wir benötigen seine normative Gestalt nicht nur für Deutschland, sondern für die Weltkirche. Wir brauchen Rom mit Petrus und Tarsus mit Paulus.

KNA: Aber in Tarsus leben kaum noch Christen, die die Kirche nutzen könnten ...
Meisner: Es gibt hier sehr wohl eine Handvoll von Christen. Je weniger sie sind, desto wichtiger ist ein Sammlungspunkt. Tarsus ist von überragender Bedeutung weit über die katholische Kirche hinaus.

Der ganzen Christenheit dient es, wenn das Vermächtnis von Paulus wieder räumlich erfahrbar wird. Es geht darum, dass Pilger aus der ganzen Welt nach Tarsus kommen und dort Gottesdienste feiern können.

Rund 80 Prozent des Neuen Testaments sind auf dem Gebiet der heutigen Türkei entstanden. Wir müssen zurück zu den Quellen.

KNA: Würde eine Kirche in Tarsus denn dem interreligiösen Dialog nützen?
Meisner: Ich will die Pläne gar nicht überfrachten. Doch wenn in dieser muslimisch geprägten Umwelt ein Pilgerzentrum entsteht, ergibt sich ein Dialog ganz von allein. Und die Weltkirche muss einfach bei Paulus wieder zu Hause sein können und dort eine Kirche haben.

KNA: Wie sehen Sie die Chancen dafür nach Ihrem Besuch?
Meisner: Für mich ist das Ganze eine Frage der Hoffnung. Ich kann die Verantwortlichen nur bitten, unserem Anliegen nachzukommen. Das grundlegendste Menschenrecht ist die Religionsfreiheit, auch für Minderheiten. Deshalb stehe ich ja positiv zu einer Moschee in Köln.

KNA: Was hat Sie während der fünf Tage in der Türkei am meisten beeindruckt?
Meisner: Ganz klar die hier greifbare Erfahrung des Jesus-Wortes «Die Kräfte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen». Von Tarsus, Ephesus und von Antiochien aus kam das Christentum in die ganze Welt, heute gibt es davon an diesen Orten nur noch Spuren.

Imposante Kathedralen und Universitäten allein sind noch keine Garantie für den Bestand des Christentums. Das erwähnte Christus-Wort ist auch keine Garantieerklärung für den Bestand der Kirche in Deutschland. Gefragt ist vielmehr der Bekennermut jedes Einzelnen.

KNA: Haben Sie auf dieser Reise dafür ein Beispiel erlebt?
Meisner: Ja, unter anderem in Antakya, dem früheren Antiochien, wo unser Glaube einst grundgelegt wurde. Heute gibt es da nur noch eine kleine Hauskirche, praktisch im Hinterhof einer Moschee. Aber dank Mut, Fantasie und Tapferkeit einzelner Christen kann ich sagen: Wir sind da.