Das sagte Müller im Interview der US-Zeitung "National Catholic Register". Hintergrund sind zwei Dokumente an den Papst, in denen die konservative Kirchenvertreter wesentliche Positionen seines nachsynodalen Schreibens "Amoris laetitia" (Freude der Liebe) als Abweichung von der kirchlichen Lehre in Frage stellen. Der Papst gibt darin Priestern die Möglichkeit, wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Voraussetzungen wieder zur Kommunion zuzulassen.
Als Lösungsmöglichkeit könnte der Papst nach Müllers Worten etwa eine Gruppe von Kardinälen ernennen, die mit den Kritikern in ein theologisches Gespräch einsteigen. Müller, dessen Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation Franziskus nicht verlängert hatte, warnte vor einer Spaltung der Kirche bis hin zum Schisma. Die Kirche brauche "mehr Dialog und gegenseitiges Vertrauen" statt "Polarisierung und Polemiken".
"Karrieristen und Opportunisten"
Er beklagte eine Atmosphäre der Angst an der Kurie, geschürt durch "Karrieristen und Opportunisten", die sich eigenmächtig zu Freunden des Papstes erklärten und jede Kritik an "Amoris laetitia" aus ideologischen Motiven denunzierten sowie die Entlassung kompetenter Mitarbeiter betrieben. "Das ist nicht das Verhalten erwachsener Leute, sondern wie auf einem Internat." Die Frage, ob jemand "Amoris laetitia" in allem zustimme, dürfe kein Kriterium für Bischofsernennungen sein.
Die Kirche sei in ihren entscheidenden Glaubenssätzen immer von der offenen Debatte geprägt gewesen. Auch der Papst sei als "Diener der Diener Gottes" auf die Beratung mit der Kurie und dem Kardinalskollegium angewiesen.
"Irrlehren"
In einer am vergangenen Sonntag veröffentlichten förmlichen "Zurechtweisung" hatten 62 konservative Kleriker und Theologen den Papst dazu aufgefordert, sich von "Irrlehren" zu distanzieren. Franziskus habe häretische Standpunkte zu Ehe, Moral und Sakramentenlehre gefördert.
Bereits im vergangenen November hatten vier prominente Kardinäle einen Brief an Franziskus veröffentlicht, in dem sie ihn aufriefen, hinsichtlich der mit "Amoris laetitia" entstandenen "Ungewissheiten" in Bezug auf die kirchliche Ehe- und Sakramentenlehre "Klarheit" zu schaffen.