Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat sich kritisch gegenüber den gegenwärtigen Annäherungen des Vatikan an die Volksrepublik China geäußert. "Im Zweifel verliert die Kirche in der Auseinandersetzungen mit Diktaturen", sagte Müller am Mittwochabend in Rom bei einer Diskussion über "Kirche und Widerstand". Was das Regime in Peking unter chinesischer Kirche und Christentum verstehe, sei doch etwas anderes als das, was die Kirche unter Inkulturation verstehe. Daher müsse man vorsichtig sein, "vom grünen Tisch im sicheren Vatikan" aus Bedingungen zu schaffen, unter denen Christen vor Ort leben müssten.
Gespräche über Widerstandsgruppen
Anlass seiner Bemerkung war ein Gespräch mit dem Mainzer Historiker Michael Kißener in der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl über Kirche und Widerstand 75 Jahre nach der Verhaftung der christlichen Widerstandsgruppe "Weiße Rose". Das Reichskonkordat, das der Heilige Stuhl 1933 mit der Regierung Hitler unterzeichnete, machte nach Kißeners Ansicht Hitler nicht unbedingt international hoffähig. Es habe aber dazu geführt, dass Katholiken, die vorher kritisch gegenüber den Nazis gewesen seien, nun eher Bereitschaft gezeigt hätten, auf die NS-Regierung zuzugehen.
Sowohl Kißener wie Müller warnten davor, rückblickend pauschal über Möglichkeiten des Widerstands zu befinden. Die Frage, ob man bereit sei, sein Leben aufs Spiel zu setzen oder zumindest schwere Nachteile für sich und seine Familie in Kauf zu nehmen, habe sich für Christen und andere in der NS-Zeit ebenso gestellt wie das in Diktaturen heute der Fall sei. "Die historische Widerstandforschung ist vor allem eine Erforschung von Einzelfällen", betonte Kißener.
Was ist das Problem zwischen Vatikan und China?
Die Ernennung von katholischen Bischöfen ist ein Kernproblem in den diplomatischen Beziehungen beider Staaten. Peking sieht darin eine innerchinesische Angelegenheit. Neben einer staatsnahen und staatlich zugelassenen "Patriotischen Vereinigung" gibt es in China die sogenannte Untergrundkirche in Gemeinschaft mit dem Papst. Immer wieder gab es Bischöfe, die entweder nicht von Peking oder nicht vom Papst anerkannt waren. Gegen die Mitglieder der "Untergrundkirche" kommt es immer wieder zu staatlichen Sanktionen. Eine Einigung in der Frage wäre ein diplomatischer Durchbruch. Die gegenwärtigen Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Regierung der Volksrepublik China laufen seit Juni 2014.