"Wie reagiere ich, um einen Diktator nicht noch mehr zu reizen?", formulierte Müller das Dilemma, wie er es sieht. Nach einer elftägigen Reise durch Polen und an die ukrainische Grenze beschrieb der Kardinal im Gespräch mit der Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) ein weiteres Dilemma.
Anders als etwa Josef Stalin und Adolf Hitler verstehe sich Russlands Präsident Wladimir Putin ausdrücklich als Christ. "Er küsst Ikonen, bekreuzigt sich, betet und wirft doch grundlegende christliche Prinzipien über den Haufen", so Müller.
Eindrücke aus dem Grenzgebiet
Bei seinen Begegnungen an der polnisch-ukrainischen Grenze habe ihn die große Hilfsbereitschaft vieler Freiwilliger sehr beeindruckt, berichtet der Kardinal. Zahlreiche junge Menschen seien eigens dorthin gereist, aus Polen, Deutschland, USA, Israel und von andernorts. Sie helfen demnach den Geflüchteten aus der Ukraine bei der Registrierung, versorgen sie mit Essen und Trinken, Kleidung und Medikamenten und organisieren Unterkünfte.
Inzwischen, so habe man ihm gesagt, seien 15 Prozent der Menschen in Warschau Ukrainer, die fast alle bei Privatpersonen untergekommen seien. Dass etliche Ukrainer zwischenzeitlich zurückgekehrt sind, liegt laut Müller auch daran, dass Moskau gedroht habe, leerstehende, unzerstörte Häuser in der Ukraine mit Russen zu besetzen.
Müllers Besuch in der Ukraine
Müller hatte seine Reise bereits länger geplant, um in Polen die Übersetzungen zweier seiner Bücher vorzustellen. Wegen des Kriegs und der Flüchtlinge habe er sein Programm aber teilweise geändert. Der Besuch sei unabhängig von dem der Kardinäle Konrad Krajewski und Michael Czerny erfolgt; sie waren von Papst Franziskus eigens in die Ukraine geschickt worden.