Vor 55 Jahren im Oktober begann in Rom eines der berühmtesten Treffen der Kirchengeschichte: Das Zweite Vatikanische Konzil ist für viele Katholiken auch heute noch ein Symbol für den Aufbruch in eine moderenere Zeit. Auch die Reform der Liturgie erfuhr Neuerungen. Ein erster Schritt der Veränderung: Latein, die alte Sprache des Gottesdienstes, wurde durch die jeweiligen Landessprachen ersetzt.
Eine schweren Glaubenskrise
Allerdings gibt es auch immer wieder Kritik. Der Präfekt der römischen Gottesdienst-Kongregation, Kardinal Robert Sarah, bezeichnet die Umsetzung der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils als Katastrophe. Das berichtet die in Würzburg erscheinende "Tagespost" am Samstag. "Wir können unsere Augen nicht vor dem Desaster, der Verwüstung und dem Schisma verschließen, die die modernen Förderer einer lebendigen Liturgie verursacht haben, indem sie die Liturgie der Kirche nach ihren Vorstellungen umgestalteten." Kardinal Sarah sieht die katholische Kirche in einer schweren Glaubenskrise.
Aus Sicht des afrikanischen Kurienkardinals hat sich die Kirche nach dem Konzil (1962-1965) von ihren Wurzeln abgeschnitten: "Man wirft dem politischen Europa vor, seine christlichen Wurzeln aufzugeben oder zu verleugnen. Doch wer zuerst seine christlichen Wurzeln und seine christliche Vergangenheit aufgegeben hat - das ist mit Sicherheit die nachkonziliare katholische Kirche." Moderne Förderer der Liturgie hätten vergessen, dass die liturgische Handlung nicht nur ein Gebet, sondern vor allem ein Mysterium sei.
Die heilige Messe reduziert auf ein einfaches Gastmahl
Unwürdige liturgische Feiern seien deshalb keine Seltenheit, so der Kardinal. Die heilige Messe werde "frevelhafterweise" auf ein einfaches Gastmahl reduziert. Als noch schlimmer empfinde er jedoch liturgische Feiern, die ablenkten von der Angst vor einem sinnlos scheinenden Leben oder von der "Furcht, Gott von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, weil sein Blick entlarvt und uns dazu zwingt, die Hässlichkeit unseres Inneren in aller Wahrheit und unabgelenkt zu schauen".
Als Ursache für die "schwerwiegende Krise", die seit dem Konzil die Liturgie und die Kirche selbst erschüttere, sieht Sarah, dass im Zentrum der Kirche nicht mehr Gott und seine Anbetung stehe. Stattdessen seien die Menschen und ihre angebliche Fähigkeit, etwas zu "tun", in die Mitte gerückt, um sich während der Eucharistiefeier mit etwas zu beschäftigen. Der Kardinal sieht laut dem Bericht der "Tagespost" auch die Bischöfe in der Verantwortung für die Missstände. So hätten es manche Bischofskonferenzen abgelehnt, den lateinischen Originaltext des römischen Messbuches getreu zu übersetzen. Das Evangelium und die Offenbarung würden stattdessen "neu interpretiert" und der dekadenten westlichen Kultur angepasst.