Kardinal Woelki blickt auf das Vermächtnis von Benedikt XVI.

"Köln hat ihm immer am Herzen gelegen"

Von Benedikt XVI. wurde er in den Kardinalsstand erhoben, dessen Theologie hat ihn geprägt: Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki spricht im Interview über das Vermächtnis Benedikt XVI. und dessen Beziehung zu Köln.

Erzbischof Woelki und Papst Benedikt bei dessen Deutschlandbesuch 2011 (KNA)
Erzbischof Woelki und Papst Benedikt bei dessen Deutschlandbesuch 2011 / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wir wussten alle, dass der Tod von Benedikt XVI. bevorsteht. Und doch erfüllt uns der Tod von Papst Benedikt mit tiefer Trauer.

Rainer Maria Kardinal Woelki (Erzbischof von Köln): Ja, das ist wahr. Gerade wir hier im Erzbistum Köln hatten eine besondere Verbindung zu ihm, weil er bereits als junger Priester und Theologieprofessor zu uns hier nach Köln gekommen ist, an unserer Bonner Theologischen Fakultät lange Jahre als Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie gelehrt hat.

Er auch immer wieder diese Verbindung nach Köln hin persönlich zum Ausdruck gebracht. Mit den verschiedenen Erzbischöfen hat ihn immer eine persönliche Freundschaft verbunden. Und Köln hat ihm immer am Herzen gelegen.

Ich glaube, dass wir das alle in besonderer Weise erfahren und gespürt haben, als er im Jahr 2005 zu uns zum Weltjugendtag nach Köln gekommen ist.

Kardinal Woelki mit Papst Benedikt XVI. beim Weltjugendtag 2005 in Köln (KNA)
Kardinal Woelki mit Papst Benedikt XVI. beim Weltjugendtag 2005 in Köln / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Das hat man gerade im Trauergottesdienst auch gemerkt. Da war die Rede vom Weltjugendtag, als Papst Benedikt hier war und er auch einen besonderen Draht zur Jugend bekommen hat. Man hat gesehen, wie Sie da genickt haben.

Woelki: Ja, das war damals ungeheuer beeindruckend. Ich erinnere mich an die Bilder und an die an die Rufe: "Benedetto, Benedetto!"

Man konnte damals spüren, wie der sich ja damals schon in einem fortgeschrittenen Alter befindende Papst aufblühte und das Ganze wie ein Jungbrunnen für ihn war. Das war eine schöne Erfahrung. 

Und er hat, glaube ich, seitdem auch die jungen Leute noch mal in einer ganz neuen Weise in sein Herz geschlossen.

Erzbischof Woelki und Papst Benedikt bei dessen Deutschlandbesuch 2011 (KNA)
Erzbischof Woelki und Papst Benedikt bei dessen Deutschlandbesuch 2011 / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie wird er auch ein Leben lang begleitet haben, als Theologe, schon im Theologiestudium, dann später als Priester und Bischof. Er hat zu Ihrem Leben dazugehört.

Woelki: Ja, genauso ist es. Ich denke, dass eines der ersten theologischen Bücher, die ich gelesen habe, seine Einführung in das Christentum war, ein Standardwerk, das bis heute seine Gültigkeit hat.

Gefolgt sind viele, viele andere Bücher. Ich glaube 137 Monographien alleine. Er hat mehrere Generationen geprägt - und das weltweit. Er ist einer der ganz großen Theologen, die auch das Zweite Vatikanische Konzil entscheidend mit beeinflusst haben, übrigens auch als ein Berater unseres damaligen Erzbischofs, des unvergessenen Joseph Kardinal Frings.

Joseph Ratzinger hat in jedweder Weise Kirchengeschichte geschrieben. Er ist ein ganz Großer, sowohl was die Theologie angeht, was sein Wirken als Bischof, als Papst angeht. Er ist ein ganz großer aber auch mit Blick auf die Frömmigkeit. Er ist immer ein betender und glaubender Mensch gewesen, jemand, der "fides et ratio" miteinander zu verbinden wusste.

DOMRADIO.DE: Viele große Sätze sind von ihm in Erinnerung geblieben. Als er einmal von einem Kind gefragt wurde, wie viele Wege es denn zu Gott gebe, hat er gesagt: "Es gibt genauso viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt."

Woelki: Genau. Das zeigt eine Weite, die sein Denken ausmacht. Manchmal wird ja gesagt, sein Denken sei sehr eng gewesen. Ich denke, es ist das Gegenteil gewesen. Er hatte eine ungeheuer große theologische Weite und hatte auch eine menschliche Weite, ein Herz für die Menschen, auch wenn er manchmal etwas still und zurückgezogen oder in sich gekehrt, vielleicht manchmal auch etwas unnahbar wirken konnte

Aber er war eigentlich jemand, wenn man persönlich mit ihm zu tun hatte, der ganz, ganz herzlich auf Menschen zugehen konnte.

Rainer Maria Woelki erhält das Kardinals-Birett von Papst Benedikt 2012 (KNA)
Rainer Maria Woelki erhält das Kardinals-Birett von Papst Benedikt 2012 / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Als deutscher Papst wurde er zu Anfang gefeiert. Wir erinnern uns an die Bild-Zeitung-Schlagzeile "Wir sind Papst". Nachher, gerade in den letzten Monaten und Jahren, wurde er auch stark angegriffen. Wie sehr hat er darunter gelitten?

Woelki: Ich glaube, dass er sehr darunter gelitten hat. Ich denke auch, dass er manches als ungerecht erlebt hat und dass man ihm, glaube ich, in mancherlei Hinsicht auch dann nicht gerecht geworden ist, wenn man von ihm als dem Panzer-Kardinal - oder wie auch immer da manchmal Schlagzeilen gelautet haben - gesprochen hat. Das ist ihm menschlich schon nahe gegangen. Einem Menschen, der ja eher sensibel und feinfühlig gewesen ist.

Ich glaube, dass es ihm vor allen Dingen immer darum ging, das apostolische Erbe, den apostolischen Glauben, dem er sich in besonderer Weise als Papst, als Bischof, auch als Präfekt der Glaubenskongregation verbunden wusste, zu bewahren. Da war er auch immer ganz klar und ganz eindeutig.

DOMRADIO.DE: Was wird vom ersten Papst aus Deutschland bleiben?

Woelki: Bleiben wird auf jeden Fall sein großes theologisches Denken, seine vielen, vielen Monographien und Bücher, seine Aufsätze, seine Predigten, seine Enzykliken. Sein Pontifikat ist ja auch mit seiner Arbeit als Präfekt der Glaubenskongregation verbunden.

Er hat die Theologie Johannes Pauls II. sicherlich auch in entscheidender Weise mitgeprägt. Auch das wird bleiben.

Die großen Enzykliken von Johannes Paul II., an denen er sicherlich auch mitgearbeitet hat. Es wird ein Mensch bleiben, der immer ein Glaubender, ein Suchender, vor allen Dingen auch ein betender Mensch gewesen ist.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Quelle:
DR