Das Bundesverfassungsgericht verlangt die völlige steuerrechtliche Gleichstellung von Ehepaaren mit Schwulen und Lesben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft verlangt. Nach der am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlichten Entscheidung muss der Gesetzgeber das Ehegattensplitting rückwirkend ab 2001 auch bei homosexuellen Paaren anwenden.
Nach dem Beschluss des Zweiten Senats ist die Ungleichbehandlung von Lebenspartnerschaften und Ehen verfassungswidrig. Die entsprechenden Vorschriften im Einkommensteuergesetz verstoßen demnach gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, da es "an hinreichend gewichtigen Sachgründen für die Ungleichbehandlung fehlt". Der Beschluss erging mit sechs zu zwei Stimmen.
Bischofskonferenz betont Wert der Ehe
Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften distanziert. Der Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, erklärte am Donnerstag in Bonn, die katholische Kirche lehne die Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft ab.
"Das Rechtsinstitut der Ehe hat nicht nur die Partnerschaft zwischen Frau und Mann allein zum Bezugspunkt, sondern auch das Ehepaar, das Elternpaar geworden ist und Sorge und Verantwortung für Kinder trägt", erläuterte Zollitsch. Daher gehöre es auch zur Grundstruktur des verfassungsrechtlichen Eheverständnisses, dass "die Ehe von einer Frau und einem Mann eingegangen wird".
Die Ehe sei etwas grundlegend anderes als die eingetragene Lebenspartnerschaft, fügte Zollitsch hinzu. "Daher ist unserer Auffassung nach eine unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung angebracht, etwa wenn man in Betracht zieht, dass aus Ehen in aller Regel Kinder hervorgehen, was für die eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht zutrifft." Eine unterschiedliche Behandlung von eingetragenen Partnerschaften und der Ehe stelle deshalb keine Diskriminierung dar, sondern betone "den Wert, den die Ehe für die Gesellschaft hat".
Die Entscheidung geht auf mehrere Verfassungsbeschwerden zurück. Die Beschwerdeführer hatten für 2001 und 2002 die Zusammenveranlagung mit ihren Lebenspartnern beantragt, scheiterten aber bis hin zum Bundesfinanzhof. Der Senat hob die Urteile auf und verwies die Fälle zur erneuten Entscheidung an den Bundesfinanzhof.
Senat verweist auf Gefahr der Diskriminierung
Der Senat unter Vorsitz des Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle entschied, die Messlatte für eine Ungleichbehandlung liege umso höher, je größer die Gefahr sei, dass die Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führe. Dies sei bei Differenzierungen nach der sexuellen Orientierung der Fall. Der ebenfalls im Grundgesetz festgeschriebene besondere Schutz von Ehe und Familie vermöge die Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen.
Die Wertentscheidung ist aus Sicht des Senats lediglich dazu geeignet, die Ehe gegenüber Paaren besser zu stellen, "die durch ein geringeres Maß an wechselseitiger Pflichtbindung geprägt sind". Dass der Kinderanteil bei eingetragenen Lebenspartnerschaften weit unter dem von Ehepaaren liegt, genüge zur Begründung für eine Beschränkung des Splittings auf Ehepaare nicht.
Der Richter Herbert Landau und die Richterin Sibylle Kessal-Wulf argumentieren in ihrem Sondervotum, bis zum überarbeiteten Lebenspartnerschaftsrecht von 2005 habe der Gesetzgeber die beiden Lebensformen ausdrücklich nicht gleichgestellt. Somit setze der Senat bei der Rückwirkungsfrist bis 2001 die eigene Einschätzung an die Stelle des Gesetzgebers.
So funktioniert das Ehegatten-Splitting
Durch das Ehegattensplitting wird die Steuerbelastung von Eheleuten gesenkt. Letztlich wird das Gesamteinkommen gedanklich durch zwei geteilt ("gesplittet") und darauf der Steuertarif angelegt. Schließlich werden die beiden Steuerbeträge verdoppelt und zur Gesamtschuld addiert. Vor allem wenn ein Partner deutlich mehr verdient als der andere oder Alleinverdiener ist, ergibt sich ein erheblicher Steuervorteil - maximal mehr als 15.000 Euro. Den Staat kostete das zuletzt 15,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Verdienen beide Partner gleich viel, haben sie vom Splitting nichts. Durch den progressiven Steuertarif entsteht ein "Splittingvorteil" gegenüber unverheirateten Paaren mit gleichem Haushaltseinkommen. Eingetragene Lebenspartnerschaften wurden bei der Einkommensteuer wie Unverheiratete behandelt. Homo-Ehen, ob mit oder ohne Kinder, sind also wirtschaftlich schlechter gestellt.