Karwoche in Jerusalem findet nur in kleinerem Rahmen statt

"Unser gewöhnliches Leben ist oft ein Kreuzweg"

An das Leiden Christi in einer leidvollen Zeit erinnern. Vor dem Hintergrund des Krieges begehen Christen im Heiligen Land die Tage vor dem Osterfest. Wie schon zu Weihnachten in deutlich kleinerer Runde als sonst.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Blick auf die Altstadt von Jerusalem / © JekLi (shutterstock)
Blick auf die Altstadt von Jerusalem / © JekLi ( shutterstock )

Mit würdevollen Zeremonien haben die Christen Jerusalems inmitten von Krieg und Spannungen die "heiligen drei Tage" vor dem Osterfest eröffnet. 

Kardinal Pierbattista Pizzaballa / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Pierbattista Pizzaballa / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Den Abendmahlsgottesdienst am Gründonnerstag leitete der Lateinische Patriarch Pierbattista Pizzaballa in der Grabeskirche bereits am Vormittag; nach dem Status quo, der die Gebetszeiten der insgesamt sechs christlichen Konfessionen in dem Heiligtum regelt.

Wunsch nach Frieden

Paradoxerweise machten die schmerzhaften aktuellen Umstände es leichter, das "schwierige Ostergeheimnis" an den Wirkungsstätten des irdischen Jesus zu begreifen, sagte der Kardinal in seiner Predigt. Nicht so sehr wegen komplizierter dogmatischer Fragen, sondern wegen der Lebenssituation: Die gegenwärtigen Umstände unterschieden sich nicht von denen vor 2.000 Jahren. "Wie damals wird auch heute der Wunsch nach Frieden allzu leicht mit der Notwendigkeit des Sieges verwechselt."

Wie bereits zu Weihnachten sind auch diesmal die wenigen einheimischen Christen weitgehend unter sich. Wegen des Kriegs in Gaza und vieler Reisewarnungen kommen kaum ausländischen Besucher oder Pilger ins Land. 

Christen aus dem Westjordanland dürfen nicht anreisen

Andere, etwa die arabischen Christen aus dem Westjordanland dürfen nicht anreisen: Jerusalem ist für sie seit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober tabu. Noch wird spekuliert, ob es ein gewisses Kontingent an Passierscheinen für die Pfarreien geben wird. 

Allerdings kommen in diesen Tagen wieder erste größere Pilgergruppen. So traf Italiens Organisation "Pellegrinatio Romano" am Gründonnerstag wieder mit einer ersten Pilgergruppe von 20 Personen aus Rom ein.

Erzbischof Pierbattista Pizzaballa (2.v.r.), Lateinischer Patriarch von Jerusalem, während der Ostervigil in der Grabeskirche  / © Andrea Krogmann (KNA)
Erzbischof Pierbattista Pizzaballa (2.v.r.), Lateinischer Patriarch von Jerusalem, während der Ostervigil in der Grabeskirche / © Andrea Krogmann ( KNA )

Bei der Gründonnerstagsfeier in der Grabeskirche wusch Pizzaballa sechs Schülern und sechs Dozenten der Jerusalemer Terra-Santa-School in Erinnerung an die Demutsgeste Jesu die Füße. Anschließend erneuerten 150 im Heiligen Land tätige Kleriker aus vielen Nationen ihr Priesterversprechen.

Abt Schnabel vollzog Fußwaschung an Studierenden

Die deutschen Benediktiner auf dem Zionsberg feierten ihren Gottesdienst erst am Abend des Gründonnerstag. Abt Nikodemus Schnabel vollzog die symbolische Fußwaschung an Studierenden des soeben beendeten "Jerusalemer Studienjahres", weiter an Ehepaaren, Journalisten aber auch an mehreren Würdenträgern von Ostkirchen. 

Nikodemus Schnabel, Abt der Benediktinerabtei Dormitio, liest das Evangelium / © Andrea Krogmann (KNA)
Nikodemus Schnabel, Abt der Benediktinerabtei Dormitio, liest das Evangelium / © Andrea Krogmann ( KNA )

Erneut hatte die Dormitio Abtei Vertreter anderer Kirchen zu diesem hochbedeutsamen kirchlichen Fest eingeladen, und die Patriarchate der Griechisch-Orthodoxen, der Kopten, Armenier und Syrer sowie die Lutheraner entsandten Vertreter. 

"Wir haben natürlich ökumenisch unterschiedliche Geschwindigkeiten", sagt Schnabel. In den Kontakten müsse sich zeigen, welche Gemeinsamkeiten möglich seien.

Christliche Etappe am Zionsberg

Auch der unter israelischer Staatskontrolle stehende Abendmahlssaal auf dem Zionsberg, in dem Jesu nach der Tradition das letzte Mahl mit seinen Jüngern vor seiner Verhaftung und Kreuzigung feierte, war an diesem Tag in die christlichen Etappen einbezogen. 

Prozession der Franziskaner und der lateinischen Pfarrei auf dem Zionsberg / © Andrea Krogmann (KNA)
Prozession der Franziskaner und der lateinischen Pfarrei auf dem Zionsberg / © Andrea Krogmann ( KNA )

Ausnahmsweise dürfen die Christen an diesem Tag den sonst als Museum dienenden Raum für einen Gottesdienst nutzen. Franziskaner-Kustos Francesco Patton, der im Auftrag des Papstes für die Heiligen Stätten im Heiligen Land zuständig ist, leitete die Zeremonie, an der wegen der delikaten politischen Sachlage auch der für Israel sowie für "Jerusalem und Palästina" zuständige Vatikan-Diplomat, Erzbischof Tito Yllana, teilnahm. 

Für den späteren Abend waren dann Gebetsstunden in der Basilika von Gethsemane und in Gallicantu vorgesehen, in denen Jesus seine letzten Stunde in Freiheit betend verbracht haben soll. 

Festlicher Auftakt der Jerusalemer Karwoche war die große Prozession vom Ölberg zur Altstadt

Festlicher Auftakt der Jerusalemer Karwoche war die große Prozession vom Ölberg zur Altstadt am Palmsonntag. Zwar nahm diesmal nicht einmal die Hälfte der sonst bis zu 6.000 Gläubigen teil. Aber vor
allem internationale Ordensleute erinnerten mit Liedern und Tänzen, mit Hosianna-Rufen und Trommeln an den triumphalen Einzug Jesu vor 2.000 Jahren in Jerusalem.

Aussicht auf Ölberg
Aussicht auf Ölberg

Man feiere "ohne Pilger und ohne so viele unserer Brüder und Schwestern aus so vielen Teilen unserer Diözese, die sich uns nicht anschließen konnten", sagte Kardinal Pizzaballa in einer sehr emotionalen Ansprache. 

Den Weg des Kreuzes auf sich nehmen

Die Nachfolge Christi bedeute auch, den Weg des Kreuzes auf sich zu nehmen. Einen Weg, "den wir leider gut kennen, denn unser gewöhnliches Leben ist oft ein Kreuzweg, ein schmerzhafter Weg, der von vielen Hindernissen, Missverständnissen, Ablehnungen und Feindseligkeiten aller Art geprägt ist. 

Doch das entmutigt uns nicht." Vielmehr bekräftige es die Christen in ihrer "Liebe zu Jesus, zu seiner Stadt und zu seinem Land, das auch unseres ist. Ein Land, das heilig ist, aber verwundet, weil es von so viel Hass und Groll heimgesucht wird". Davon dürften sich die Christen nicht anstecken lassen, sagte er unter Applaus.

Und mit Nachdruck rief er die Weltkirche zu Pilgerfahrten ins Heilige Land auf. "Haben Sie keine Angst, kehren Sie nach Jerusalem und ins Heilige Land zurück! Ihre Anwesenheit ist immer eine Präsenz des
Friedens, und wir brauchen heute aufrichtig Frieden. Mögen Sie kommen und uns Ihren Frieden bringen."

Lateinisches Patriarchat von Jerusalem

Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem betreut die rund 60.000 bis 70.000 römisch-katholischen Christen im Heiligen Land. Seine Jurisdiktion erstreckt sich über das Staatsgebiet von Israel, Jordanien, Zypern und die Palästinensischen Gebiete. Die Ursprünge des Patriarchats liegen in der Zeit der Kreuzfahrer, die sich als "Lateiner" bezeichneten. Es erlosch jedoch mit dem Fall Akkos 1291. Im Jahr 1847 belebte Papst Pius IX. das Patriarchat neu.

Blick auf Jerusalem / © Kyrylo Glivin (shutterstock)

 

Quelle:
KNA