DOMRADIO.DE: Das Dokument hat 143 Seiten und regelt auf weltkirchlicher Ebene, wie Katechese, also Glaubensvermittlung für Jung und Alt, aussehen soll. Unter anderem soll sich die Kirche mehr auf spezifische Gruppen, wie Migranten oder Menschen mit Behinderung einstellen. Wie viel davon passiert in Deutschland schon?
Prof. Dr. Bernd Lutz (Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Katecheten-Vereins e.V.) Das ist sehr unterschiedlich. Wir haben in vielen Bereichen natürlich spezifische Ansätze. Gerade auch für Migranten, auch für verschiedene kulturelle Hintergründe. Denken Sie an die Frühzeit aus den 60er-, 70er-Jahren, die so genannten Gastarbeiter. Da sind dann die "Missionen" entwickelt worden, die immer auch ihren eigenen Stil von Katechese geprägt haben, weil es in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich läuft.
Bei Menschen mit Behinderung haben wir die Vorgabe, sie möglichst nicht zu separieren, da sollten wir eher eine integrative Katechese entwickeln. Da gibt es zum Beispiel den Ansatz der intergenerationellen Katechese. Es tut auch gut, wenn man Menschen unterschiedlicher Lebensalter, einschließlich Kinder und Jugendliche, zusammenbringt, da nun mal der Glaube in unterschiedlichem Lebensalter mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen unterschiedliche Prägungen bekommt.
Es ist immer eine Gratwanderung: Einerseits zielgruppenorientiert zu denken und dabei aber nicht die verschiedenen Gruppen gegeneinander abzugrenzen und auszugrenzen.
DOMRADIO.DE: Explizit sind die Katecheten auch aufgerufen auf Menschen mit "nicht regulären" Familien- und Partnerschaftssituationen einzugehen und damit Diskriminierung zuvor zu kommen. Wie geht man das an?
Lutz: Auch da stellt sich wieder die Frage, ob man die einzelnen Gruppen jetzt abgrenzen will. Lassen sich Menschen dann auch in solchen Situationen so ansprechen? Es ist sicherlich im Sinne der Pastoral auch notwendig, auf sie zuzugehen. Aber hilft es, wenn man sie zum Beispiel in Sonderkursen begleitet? Das gilt für die unterschiedlichsten Personengruppen, sicherlich auch mit wiederverheirateten Geschiedenen, Arbeitslosen und so weiter.
Wenn Katechese eine biografieorientierte, an der Lebenssituation orientierte, Erschließung im Dialog der Inhalte des Glaubens ist, dann spielt das natürlich eine Rolle. Aber wollen wir das separiert machen oder miteinander? Das ist immer die Gratwanderung, die es dann dabei braucht, damit Menschen nicht ausgegrenzt werden.
Was natürlich sehr wichtig ist und auch seit der Sinus-Milieu-Studie diskutiert wird: Dass wir auch an nichtkirchliche Orte zu gehen haben, also etwa eine Katechese in einer Szenekneipe. Wenn die bereit ist zu kooperieren. Wir dürfen uns nicht verstecken in den Kirchenräumen.
DOMRADIO.DE: Eine große Rolle soll auch die Digitalisierung spielen, die Katechese soll aber auch wissen, wo da die Grenzen liegen. Wie geht man das Thema richtig an?
Lutz: Es braucht Vernetzung der Katechetinnen und Katecheten. Diejenigen, die in Katechese engagiert sind, müssen wir miteinander in Kontakt und Austausch bringen, auch über Bistumsgrenzen hinweg. Weil wir die Erfahrung machen, auch jetzt wieder noch einmal verstärkt durch die Corona-Situation, dass in den Pfarreien vielfach wirklich tolle Arbeit gemacht wird. Innovative Projekte laufen, von denen man aber nichts weiß. Zum Teil auch, weil die Verantwortlichen das gar nicht so einschätzen, dass das etwas Besonderes ist.
Und dann natürlich, dass viele junge Leute einfach ihre Kommunikation wesentlich auf digitalem Wege laufen haben. Es haben sich jetzt durch Corona wirklich tolle Formate ergeben, in der Ehe-Vorbereitung etwa. Die Vorbereitungskurse haben einen sehr guten Zuspruch und eine hohe Intensität auch digital gewonnen.
Die andere Frage ist natürlich: Wieviel persönliche Begegnung braucht es für den Glauben? Kann ich eine Glaubens-Kommunikation, einen Austausch über meine persönlichen Erfahrungen, wirklich in gleich guter Weise, nämlich im Sinne von echtem Austausch und Tiefgang, auf digitaler Ebene führen?
DOMRADIO.DE: Wie bringt man das in Einklang?
Lutz: Wenn wir auf die digitale Welt schauen, da müssen wir als Kirche präsent sein, und da kann man nicht einfach von vornherein sagen: Katechese geht so nicht. Andererseits brauchen wir bei der Katechese aber auch dringend eine Unterscheidung. Sie ist eben nicht Vortrag, sondern ist Austausch miteinander. Katechese ist Kommunikation über den Glauben, aufgrund der verschiedenen Lebenserfahrungen. Digitalisierung ist da sicher hilfreich im Sinne der Innovation. Aber es geht beim Glauben auch um Initiation.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.