DOMRADIO.DE: Das Projekt nennt sich "RUexpress". Was war der Auslöser dafür?
Prof. Dr. Markus Tomberg (Lehrstuhl für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät Fulda und am Katholischen Seminar in Marburg; Bundesvorstandsmitglied des Deutschen Katecheten-Verein e.V., dem Fachverband für religiöse Bildung und Erziehung / DVK): Es gab mehrere Auslöser. Zum einen haben wir vom DKV den Auftrag, gute religiöse Bildung in Schulen und Gemeinden zu fördern.
Im letzten Jahr haben wir uns in einem Workshop mit dem Politik- und Kommunikationsberater Erik Flügge überlegt, wie wir das gut bewerkstelligen können. Er hat uns geraten, mal was ganz anderes zu machen als die bisher eher staatstragenden, gedruckten und schweren Unterrichtshilfen. Es sollte flockiger, leichter und digitaler werden.
So kam die Idee, den Leuten alle zwei Wochen neue Materialien zuzuspielen. Diese Idee war der organisatorische Teil. Die zweite Frage beschäftigt sich mit den Inhalten. Wir haben überlegt, was wir machen können, um uns von den sehr vielen Unterrichtsbüchern und Unterrichtshilfen, also den gedruckten Sachen, die mit einer relativ langen Vorlaufzeit daherkommen, abzuheben. So kamen wir auf die aktuellen Themen, die wir in kurzer und aktueller Form in den Unterricht einspielen wollen.
DOMRADIO.DE: Seit Januar haben sie dieses Projekt, diese Internetplattform an den Start gebracht. Religionslehrerinnen und -lehrer können dort alle zwei Wochen neue Arbeitsblätter, Konzepte für Unterrichtsstunden und Aufgaben herunterladen. Was für Themen sind das beispielsweise, die behandelt werden?
Tomberg: Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, aktuelle Themen zu nehmen. Daher schauen wir, was sich gerade so anbietet. Die aktuelle Ausgabe nimmt die Streiks in den Blick. In der vorherigen Ausgabe ging es um den Equal-Pay-Day. Davor haben wir natürlich etwas zu Jesus und Ostern gemacht. Das stand im Zusammenhang mit der Fernsehserie "The Chosen" und der RTL-Inszenierung "Die Passion", die in diesem Jahr wieder stattfindet.
Es ist unsere Absicht, aktuelle Themen aufzugreifen und mit den Themen des Religionsunterrichts zusammenzubringen. Dafür spielen wir Materialien ein, auf die man vielleicht selber bei seiner Unterrichtsrecherche und -vorbereitung nicht unbedingt stößt und unterfüttern diese mit Aufgaben.
DOMRADIO.DE: Bei "Die Passion" oder "The Chosen" kann man einen Bezug zum Religionsunterricht verstehen, aber bei Songs von Billy Eilish oder der "Barbie"-Film kann man sich den Bezug nur schwer vorstellen.
Tomberg: Die Songs gehen um Themen, die für den Religionsunterricht und für die Schule insgesamt unheimlich relevant sind. Sie stoßen folgende Fragen an: Wer bin ich? Wozu bin ich da? Welche Rolle spiele ich? Was ist meine Aufgabe? Und was ist meine Identität?
Für diese Frage ist "Barbie" mit dem aktuellen Film als Aufhänger sinnvoll, weil dort die Rollen zwischen Barbie und Ken verhandelt werden. Bei den Aufhängern ist es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen auch außerhalb der Schule mit dem Thema konfrontiert werden.
Auf diese Art und Weise zeigt der Religionsunterricht, dass Religion etwas mit der Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen zu tun hat. Durch die Aufbereitung bewährt sich Religion in der Deutung und zeigt, dass sie auch bei aktuellen Themen sehr relevant ist.
DOMRADIO.DE: Das Angebot richtet sich Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I. Wissen Sie, wie das Angebot bei den Schülerinnen und Schülern ankommt? Haben Sie bereits Rückmeldungen bekommen?
Tomberg: Von den Schülerinnen und Schülern haben wir in der Kürze der Zeit noch nichts gehört, wohl aber von Kolleginnen und Kollegen auf verschiedenen Fachebenen, angefangen bei den religionspädagogischen Instituten, die Lehrerinnen und Lehrern ebenso Unterrichtsmaterialien bereitstellen, über die Fachkollegen in der Wissenschaft bis in die Schulabteilungen der Bistümer und Landeskirchen.
Wir werden aufgefordert, mit dem Projekt weiterzumachen. Es tue dem Religionsunterricht gut, wenn die Lehrerinnen und Lehrer Impulse bekommen, um mit aktuellen Themen umzugehen.
DOMRADIO.DE: Sie haben an das Material einen professionellen Anspruch. Von der Recherche und der Zusammenstellung über das Lektorat bis zur Grafik werden die Themen durch ein Team zusammengestellt, in dem Sie selbst ein Teil sind. Sie arbeiten gerade an der kommenden Ausgabe. Worum wird es gehen?
Tomberg: Wir blicken auf die aktuelle Demokratiebewegung. Wir haben gesagt, dass wir dazu dringend etwas machen müssten. Die Demonstrationsdichte lässt inzwischen wieder ein bisschen nach, aber es passt mit den anderen Themen in unsere Planung und kommt Mitte April raus.
Ich finde es total spannend für die Unterrichtsvorbereitung aktuell zu recherchieren und bei der Recherche für das Thema bin ich auf das Lied "Für immer Frühling" von "Soffie" gestoßen. Entstanden ist der Song irgendwie zwischen Weihnachten und Neujahr. Inzwischen hat der Song fast zwei Millionen Klicks bei YouTube und ist zu den Demos in den sozialen Netzwerken viral gegangen.
Das ist ein super Lied mit einem super Text und einer super Inszenierung. Damit kann man zum einen auf die Demokratiebewegung und die Demonstrationen hinführen und dies zum anderen mit den religiösen Themen wie der Hoffnung und den Metaphern zusammenbringen.
"Soffie" singt zum Beispiel vom "Land, in dem immer Frühling ist". Das ist eine Vision vom guten Leben für alle. Das lässt sich im Religionsunterricht erschließen. Ich finde das Lied total spannend und bereichernd. Und schön ist es auch noch.
Das Interview führte Elena Hong.