DOMRADIO.DE: "Endlich ist er weg!" So denken in Südafrika jetzt viele. Gilt das auch für Sie und die Menschen in Ihrer Umgebung?
Stefan Hippler (Ehemaliger Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Kapstadt): Ja, eindeutig. Wir alle haben auf den Moment gewartet, wo er geht. Seine Korruption und sonstigen Machenschaften waren einfach so offensichtlich geworden, dass selbst der ANC ihn nicht mehr halten konnte. Er ist ja fünf vor zwölf sozusagen nachts erst zurück getreten und hat Platz gemacht für Cyril Ramaphosa, den neuen Präsidenten, der heute Abend zum ersten Mal vor beiden Häusern des Parlaments als Präsident sprechen wird.
DOMRADIO.DE: Knapp neun Jahre stand Zuma an der Spitze des Staates und sorgte immer wieder für Negativschlagzeilen. Nicht nur wegen Korruption. Es gab sogar mal einen Prozess wegen mutmaßlicher Vergewaltigung, von der er aber frei gesprochen wurde. Wie würden Sie die Präsidentschaft Zumas auf den Punkt bringen?
Hippler: Auf den Punkt gebracht war diese Präsidentschaft eine Katastrophe für Südafrika. Alles, was unter seinen Vorgängern Mandela und teilweise auch Mbeki aufgebaut worden ist, ist in den neun Jahren seiner Amtszeit kaputt gemacht worden. Es gibt kaum eine Institution des Staates, die nicht unter Korruptionsverdacht steht, wo nicht Gelder verschwunden sind, wo Gesetze gebrochen wurden - und alles in letzter Zeit offensichtlich. Sein Rücktritt jetzt kam wirklich in allerletzter Minute. Es ging nicht mehr anders.
DOMRADIO.DE: Zuma war ehrenamtlicher Prediger einer charismatischen Freikirche. In welchem Verhältnis stand er zur katholischen Kirche?
Hippler: Er hatte ein angespanntes Verhältnis zur katholischen Kirche wie alle Leute im ANC nach dem Anfang des neuen Südafrika. In der Zeit des Kampfes gegen die Apartheid waren alle im ANC eigentlich sehr katholikenfreundlich. Nach 1994, als die neue Verfassung kam, in der es auch um die Frage von Abtreibung oder um schwul-lesbische Fragen ging, gab es immer mehr Auseinandersetzungen zwischen katholischer Kirche und dem Staat und auch Jacob Zuma. Die haben kaum noch miteinander gesprochen. Dabei war Jacob Zuma, als ich ihn zum ersten Mal kennenlernte, der Vorsitzende des Vereins zur moralischen Erneuerung Südafrikas. So hat er angefangen, bis er schließlich ein korrupter Präsident wurde. Ein weiter Weg, den er da zurückgelegt hat.
DOMRADIO.DE: Meinen Sie, das Verhältnis zur Kirche wird sich unter Zumas Nachfolger Cyril Ramaphosa ändern?
Hippler: Cyril Ramaphosa ist ein sehr privater Mensch. Persönlich steht er eher bestimmten Freikirchen nahe, die Christentum und Tradition der Afrikaner miteinander verbinden. Ich schätze, er wird ein sehr ruhiges, nicht angespanntes Verhältnis zur katholischen Kirche pflegen.
DOMRADIO.DE: Zuma hinterlässt sein Land in prekärer wirtschaftlicher Situation und seine Partei tief gespalten. Was sind die größten Herausforderungen, die jetzt auf den neuen Staatschef Ramaphosa zukommen?
Hippler: Das erste, was er machen muss, da warten wir alle drauf: Er muss eine ganze Reihe von Ministern einfach feuern. Wir haben im Kabinett mindestens sieben Minister, die er eigentlich sofort nächste Woche vor die Tür setzen dürfte. Sie sind bekanntermaßen so korrupt, dass ihm gar nichts anderes übrig bleibt. Das betrifft etwa den Finanzminister, den Minister für die Mineralien, für die Energie, für die Administration, für soziale Fragen und andere. Sie konnten unter Zuma ganz offensichtlich machen, was sie wollten. Das heißt, wir erwarten, dass Minister gefeuert werden und dann gute neue Minister ins Amt gebracht werden. Außerdem ist da natürlich die Frage, wie es weitergeht mit der Wirtschaft. Auf dem Geldmarkt ist der südafrikanische Rand nach der Wahl Ramaphosas sofort stärker geworden. Es herrscht also so etwas wie Aufbruchsstimmung - auch in der Wirtschaft.
DOMRADIO.DE: Sie befürchten also nicht, dass auch Ramaphosa als Staatschef in Korruption und Misswirtschaft abdriften könnte?
Hippler: Nein. Allein deshalb, weil der Mann so reich ist, dass er das gar nicht braucht. Ramaphosa ist wirklich einer der reichsten Männer Südafrikas, verheiratet mit der Schwester von Patrice Motsepe, dem ersten schwarzen Milliardär Südafrikas. Er hat also wirklich so viel Geld, das er es gar nicht ausgeben kann. Er ist eine ganz andere ethische und moralische Figur als sein Vorgänger. Interessant zu wissen ist noch, dass Ramaphosa Mandelas Wunsch-Nachfolger war. Aber der ANC hat damals Mbeki gegen den Wunsch Mandelas eingesetzt.
DOMRADIO.DE: Was für drängende Aufgaben kommen jetzt auf ihn zu?
Hippler: Auf der einen Seite muss er sich um die Wirtschaft kümmern, wieder Vertrauen in die Wirtschaft schaffen. Außerdem sind es die sozialen Fragen, die dringend angegangen werden müssen. Ganz besonders wichtig ist auch die Frage der Landverteilung. Das ist eine ganz prickelnde Frage. In Simbabwe ist sie sehr schief gegangen. Der ANC hat Ende letzten Jahres beschlossen, dass der Staat Land nehmen kann ohne Entschädigung. Das ist auch in Südafrika eine ganz schwierige und emotionale Frage, die Ramaphosa so lösen muss, dass jeder weiter Vertrauen in Südafrika haben kann.
Das Interview führte Milena Furman.