Katholiken gehen nach Streit um Fürbitte auf Jüdische Gemeinde zu

Zeichen der Versöhnung

Seit Papst Benedikt XVI. vor drei Monaten die ältere Version der Karfreitagsfürbitte wieder freigegeben hat, ist das Verhältnis zwischen Juden und katholischer Kirche deutlich gestört - vor allem in Deutschland. Davon zeugt auch eine gerade erschienene Streitschrift. Nun will die Spitze der Katholiken ein deutliches Zeichen der Versöhnung setzen.

Autor/in:
Norbert Zonker
 (DR)

Dafür wurde für den Katholikentag, der am Mittwoch in Osnabrück beginnt, eigens das Programm geändert, schreibt das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Trotz der Absage von drei jüdischen Referenten wird es 20 Veranstaltungen zum christlich-jüdischen Dialog geben.

Als stärkstes Signal gilt, dass anstelle des Ortsbischofs Franz-Josef Bode der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, die christlich-jüdische Gemeinschaftsfeier am Donnerstagabend gestalten wird, gemeinsam mit dem Augsburger Rabbiner Henry Brandt und dem Kantor Nikola David.

"Wir wollen den Dialog ganz klar fortsetzen"
Auch die geplante Veranstaltung "Beten Juden und Christen zu demselben Gott?" wurde erweitert um das Thema "Karfreitagsfürbitte", mit der Papst Benedikt XVI. indirekt zur Missionierung der Juden aufgerufen und dadurch den Streit ausgelöst hatte. Darüber diskutieren nun in Osnabrück der katholische Theologe Heinz-Günther Schöttler und der Braunschweiger Rabbiner Jonah Sievers.

"Wir wollen den Dialog ganz klar fortsetzen", betonte der Sprecher des Katholikentags, Theodor Bolzenius. Als politischer Höhepunkt der fünftägigen Veranstaltung gilt die Rede von Bundespräsident Horst Köhler über die Zukunft der Demokratie und die Teilnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an einer Diskussion über gerechte Klimapolitik.

Sammelband zum Streit um Karfreitagsfürbitte erschienen
Drei Monate nach Veröffentlichung der neuen lateinischen Fürbitte "für die Juden" in der katholischen Karfreitags-Liturgie schlagen die Wellen noch immer hoch. Zwar ist der Text nur für die "außerordentliche" Form des Mess-Ritus vorgesehen, die Papst Benedikt XVI. im vergangenen Jahr wieder in breiterem Umfang zuließ und die nur von einer sehr kleinen Minderheit der Katholiken verwendet wird. Aber er betrifft ein höchst sensibles Thema: Denn in den Gottesdiensten nach dem traditionellen Ritus soll jetzt für die Juden gebetet werden, "dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchtet, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen".

Für viele im christlich-jüdischen Dialog Engagierte markiert diese Formulierung einen Rückfall hinter die Erklärung "Nostra Aetate" des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), jedenfalls aber hinter die seit 1970 gebräuchliche Fassung der Fürbitte. In dieser für 99 Prozent aller katholischen Gottesdienste verbindlichen Form beten die Katholiken, dass Gott die Juden "in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen bewahre, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will".

Besonders in Deutschland waren die Reaktionen auf die vom Papst formulierte lateinische Neufassung heftig. So sagten die Rabbiner Walter Homolka und Daniel Alter sowie der Frankfurter Sozialwissenschaftler Micha Brumlik ihre Teilnahme am Katholikentag in Osnabrück in der kommenden Woche ab. Gezielt mit Blick auf das Laientreffen hat jetzt der Herder-Verlag ein Buch mit Stellungnahmen zum Streit vorgelegt. Die meisten der sieben jüdischen und zehn katholischen Autoren des von Homolka und dem katholischen Alttestamentler Erich Zenger herausgegebenen Buchs stimmen in der Einschätzung überein, dass es sich bei der Fürbitte um einen Rückschritt handelt.

Zwar wird anerkannt, dass abwertende Begriffe aus der Liturgie von
1962 wie "Verblendung" und "Finsternis" gestrichen wurden. Doch Stein des Anstoßes bleibt die Bitte um die Erkenntnis Christi. Damit verbunden ist die Sorge vor einer katholischen Judenmission - eine Auslegung, die der für die Beziehung zum Judentum zuständige deutsche Kurienkardinal Walter Kasper ausdrücklich zurückgewiesen hat.

Homolka und Zenger wollen mit ihrem Sammelband, der überwiegend den Charakter einer Streitschrift hat, einen "Beitrag zur Fortsetzung des katholisch-jüdischen Gesprächs" leisten. Mit den Analysen der verschiedenen Fassungen der Fürbitte und ihres jeweiligen Zusammenhangs macht der Band auf Details und Nuancen aufmerksam, über die man sonst hinweglesen könnte. Nur der emeritierte Bonner Dogmatiker Josef Wohlmuth kann der Neuformulierung auch positive Seiten abgewinnen, sei sie doch "das erste offizielle Gebet der katholischen Kirche, in dem von der Rettung ganz Israels gesprochen wird, und zwar nicht nur rückblickend auf das vorchristliche Israel, sondern auf das Israel aller Zeiten".

Vor allem aber zeigen die Beiträge, dass es im christlich-jüdischen Dialog - zumal in Deutschland - eine Ebene jenseits der dogmatischen Korrektheit gibt, die nicht ignoriert werden darf. Immer wieder wird auf die jahrhundertelange Geschichte von Ausschreitungen gegen Juden gerade am Karfreitag hingewiesen - Ereignisse, die "im kollektiven Gedächtnis der Juden" aufgehoben blieben, so der emeritierte Augsburger Pastoraltheologe Hanspeter Heinz. Besonders bei den jüdischen Autoren sind deshalb Verletztheit oder Frustrationen spürbar. So bemerkt etwa Homolka: "In den letzten Jahren verstärkt sich in mir leider das Gefühl, die Beschäftigung der katholischen Kirchenoberen mit dem Judentum wird zu einer zeremoniellen Pflicht." Der Publizist Günther B. Ginzel kritisiert auch die Katholikentags-Veranstalter, die die drei Diskussionsteilnehmer "kurzerhand durch neue, probat erscheinende Juden" ersetzt hätten.

Hinweis: Walter Homolka/Erich Zenger (Hg.), "... damit sie Jesus Christus erkennen". Die neue Karfreitagsfürbitte für die Juden, 224 Seiten, 11,95 Euro