Auch die immer noch mitgliederstarken katholischen Verbände arbeiten unter dem Stichwort "aktive Lebenslaufpolitik in einer Gesellschaft des langen Lebens" an einer Weiterentwicklung der katholischen Soziallehre - unter anderem mit einer großen Fachtagung am Dienstag in Münster.
Fest steht, dass die seit Jahrzehnten in Deutschland normalen Lebenslauf-Muster immer stärker ins Rutschen geraten. Die Korsettstangen - Fixierung auf Erwerbsarbeit der Männer und lebenslange Versorgerehe - stützen nicht mehr. Das Drehbuch des Lebens wird umgeschrieben, während die sozialen Sicherungssysteme und die Rechtsprechung immer noch dem alten Muster folgen.
Schwere Vereinbarkeit von Job und Familie
Berufswechsel und Teilzeitarbeit gehören für viele Deutsche zum Alltag. Immer mehr Ehen zerbrechen. Das Alter weitet sich zu einem ganz neuen Lebensabschnitt, der gestaltet werden muss, wie die frühere Ministerialdirektorin im Bundesfamilienministerium, Eva Maria Welskop-Deffaa, analysierte. "Die Menschen heute leben im Schnitt 40 Jahre länger als ihre Urgroßeltern vor 100 Jahren", sagte sie. Und verwies darauf, dass die Individualisierung der Lebensläufe von jedem einzelnen eine Vielzahl von Entscheidungen und Weichenstellungen verlangt.
Insbesondere bei jungen Frauen passt der seit Jahrzehnten zementierte Rahmen nicht mehr: Sie leiden in der "Rush Hour" des Lebens unter der schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Elternschaft. In Deutschland sei es besonders schwierig, von einer eher familienbezogenen Lebensphase in eine stärker berufsbezogene zu wechseln und umgekehrt, warnte schon der siebte Familienbericht der Bundesregierung von 2006. Viele junge Frauen entschieden sich dann eher gegen Kinder, heißt es in einer gerade erst am Montag veröffentlichten Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Eine verhängnisvolle Alternative - für viele Frauen, aber auch für eine immer älter werdende Gesellschaft.
Falscher Anreiz Minijob
Bei der ZdK-Tagung forderte deshalb die Professorin für Christliche Sozialwissenschaften in Münster, Marianne Heimbach-Steins, eine Neupositionierung der Sozialpolitik in Deutschland. Die Bürger sollten in die Lage versetzt werden, Erwerbsarbeit, Familie und andere Aktivitäten, wie zum Beispiel Bürgerschaftliches Engagement, besser in Einklang zu bringen.
Gerade die Wechsel zwischen verschiedenen Bereichen müssten politisch gestaltet werden, forderte auch Welskop-Deffaa, die Sprecherin des Bereichs Gesellschaftliche Grundfragen beim ZdK ist. Konkret geht es etwa um familienfreundlichere Arbeitszeiten, Freistellungen von Arbeitnehmern für Kindererziehung und Pflege der Eltern, lebenslange Bildung und eine Förderung von ehrenamtlichem Engagement. Gefordert ist auch ein Mentalitätswandel: Berufswechsel oder Phasen von Arbeitslosigkeit oder Familienarbeit dürften nicht weiter so negativ bewertet werden wie bisher.
Am Beispiel der Minijobs verdeutlichte Welskop-Deffaa, wo die Politik derzeit ihrer Einschätzung nach falsche Anreize setzt: Unter den Minijobbern seien überdurchschnittlich viele verheiratete Frauen, betonte sie. Zugleich hätten diese gering bezahlten Tätigkeiten nicht die erhoffte Brückenfunktion in den ersten Arbeitsmarkt, sondern einen großen "Klebeeffekt". Kurzum: Frauen würden durch Minijobs in nicht existenzsichernde Arbeitsverhältnisse gelockt, die angesichts der hohen Scheidungsraten für sie hochriskant seien.