Etwas Licht am Horizont zeigt sich inzwischen bei der Frage, wie das Christentreffen angesichts der nicht enden wollenden Pandemie überhaupt stattfinden kann. Selbst in Baden-Württemberg, wo die Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lange einen eher restriktiven Kurs gefahren hat, sind die meisten Auflagen gefallen. Eine strikte Maskenpflicht gilt aktuell vor allem im öffentlichen Nahverkehr.
Corona, Krieg und Kirchenkrise
Die bisherige Resonanz hält sich in Grenzen, die Veranstalter geben sich bei Zwischenauskünften reserviert. Allerdings ist schon jetzt klar, dass ein Vergleich zum Münsteraner Katholikentag im Jahr 2018 mit rund 90.000 Besuchern nur wenig Sinn ergibt. In Westfalen dominiert der Katholizismus, das ist im evangelisch-pietistisch geprägten Stuttgart völlig anders. Zudem gab es vor vier Jahren weder Covid-19 noch russische Raketeneinschläge unweit einer EU-Außengrenze. Nicht zu vergessen das krisengeplagte öffentliche Bild, dass die katholische Kirche seitdem abgibt.
Zudem hat sich nicht nur bei Katholikentagen, sondern auch bei Kirchentagen das Anmeldeverhalten der meisten verändert. Viele wollen erst kurzfristig entscheiden, ob sie für einen Tag oder doch die ganze Zeit teilnehmen wollen. Corona, Krieg und Kirchenkrise begünstigen diese Tendenz zweifellos.
Programmatisch wollen die Veranstalter in Stuttgart alle Problemfelder beleuchten – also sowohl die innerkirchlichen als auch die diversen politischen. Beides scheint nicht einfach. Sollen beispielsweise Vertreter der russischen Orthodoxie die Gelegenheit haben, auf Foren und Podien die offizielle Haltung ihrer Kirche zu verbreiten? Es wäre mehr als heikel, den friedensethisch abstrusen Auffassungen des Moskauer Patriarchen Kyrill in Stuttgart Platz zuzubilligen.
Wer soll welches Wort erhalten?
Die Veranstalter halten sich noch bedeckt, wer bei den entsprechenden Debatten zum russischen Angriffskrieg das Wort erhalten soll. Die Macher wollen gewissenhaft und verantwortungsvoll prüfen, wer wo mitwirken kann. Möglicherweise fallen die Entscheidungen über die Teilnehmenden erst sehr spät. Auf keinen Fall aber soll der Eindruck erweckt werden, dass sich die russische Aggression irgendwie christlich legitimieren lasse.
Ausdrücklich mit dem katholischen Reformvorhaben Synodaler Weg befassen sich rund 30 der insgesamt rund 1.500 Veranstaltungen. Dabei fällt auf, dass von den Vertretern des konservativen Flügels nur wenige vor Ort sein werden. So finden sich beispielsweise weder der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki noch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer unter den Mitwirkenden. Das lässt erwarten, dass die Debatten über Macht, Missbrauch und die Rolle der Frauen in Stuttgart deutlich weniger kontrovers verlaufen als beim Synodalen Weg selbst.
Allerdings hat das Fernbleiben der konservativen Strömung bei den Katholikentagen eine lange Tradition. Weil sie beim Publikum nur auf wenig Beifall hoffen können, meiden viele Vertreter traditioneller Positionen die Christentreffen. Das ist insofern bedauerlich, weil so ein echter Dialog kaum in Gang kommt und zugleich die Gefahr einer innerkatholischen Nabelschau zunimmt, bei der mehr oder minder widerspruchsfrei nur die eigene Reformagenda thematisiert und beklatscht wird.
Ablauf wie gewohnt
Grundkonzept und -gerüst des Stuttgarter Katholikentags entsprechen dem bekannten Muster: Am Mittwoch soll es nach der Eröffnung einen bunten Abend geben. Am Donnerstag, Christi Himmelfahrt, beginnt nach Gottesdiensten mit Diskussionen und Foren die inhaltliche Arbeit. Die thematischen Veranstaltungen enden am Samstagnachmittag, bevor der Katholikentag mit einem Straßenfest am Abend und dem Schlussgottesdienst am Sonntag ausklingt.
Vieles ist draußen geplant, auf "Katholikentags-Inseln" genannten Plätzen in der Innenstadt. Die Veranstaltungsorte wie die Liederhalle, das Haus der Wirtschaft und der evangelische Hospitalhof liegen im Stadtkern. Für die zentralen Open-Air-Veranstaltungen ist der Schlossplatz vorgesehen. In der Summe heißt das: Der Katholikentag dürfte ein Treffen mit kurzen Wegen mitten im Herzen einer Großstadt sein.
Die Einladenden, allen voran die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, und der gastgebende württembergische Bischof Gebhard Fürst, werden nicht müde, die Vorteile einer Präsenzveranstaltung nach knapp zweieinhalb Jahren Pandemie in den Vordergrund zu rücken: Die Zusammenkunft solle Kraft geben - daher auch das Leitwort "leben teilen".